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Nigeria: Bewältigung psychischer Probleme in Krisen

Nigerian Red Cross volunteers help to rescue victims of the Maiduguri floods.

Der Umgang mit einer Krise kann anspruchsvoll sein und vielfältige Emotionen und psychische Probleme wie Wut, Trauer, Angst, Schlaflosigkeit und erhöhten Stress hervorrufen.

„Wir weinen und helfen gleichzeitig den von den Überschwemmungen betroffenen Menschen. Bei mir sass der Schock besonders tief. Ich arbeitete vier oder fünf Tage ununterbrochen, ganz ohne Schlaf“, erinnerte sich Isa Muhammad Boboke, ein Freiwilliger der Nigerianischen Rotkreuzgesellschaft des Bundesstaats Borno in Maiduguri, der an den Such- und Rettungsaktionen beteiligt war.

Die verheerende Flut, die am 10. September durch den Bruch des Alau-Staudamms verursacht wurde, verwüstete die Stadt Maiduguri, über 410 000 Menschen wurden vertrieben, Häuser, Ernten und Existenzgrundlagen zerstört.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) organisierte verschiedene Veranstaltungen, um die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden und Freiwilligen der Nigerianischen Rotkreuzgesellschaft (NRCS), die nach der zerstörerischen Flut im Einsatz standen, zu schützen. Damit sollte den Helferinnen und Helfern geholfen werden. Bei den Veranstaltungen wurde den Teilnehmenden erklärt, wie wichtig Selbstfürsorge in Krisen ist und es wurden Strategien vermittelt, um mit intensiven Emotionen, Verzweiflung und psychischen Problemen umzugehen. Freiwillige teilten ihre persönlichen Erfahrungen und betonten, wie wichtig diese Unterstützung ist.

Ich lernte, mit Stress im Zusammenhang mit den Ereignissen umzugehen.

Isa Muhammad Boboke

Auch Isas Zuhause blieb nicht verschont. Trotz seines persönlichen Verlusts leistete er gemeinsam mit anderen Freiwilligen unermüdlich Nothilfe, um Überlebende zu retten und sterbliche Überreste zu bergen.

Die emotionale Belastung nach der Katastrophe war für ihn hoch. „Ich dachte dauernd daran, wie sehr die Menschen leiden. Ich konnte nicht mehr schlafen und anderen nicht mehr helfen“, so Isa.

Isa Muhammad Boboke, Nigerian Red Cross Society volunteer
Mohammed Ibrahim

Isa Muhammad Boboke, Freiwilliger der Nigerianischen Rotkreuzgesellschaft in Maiduguri.

Bei der vom Team des IKRK in Maiduguri organisierten Gruppentherapie besprachen Isa und die anderen Freiwilligen, wie sie mit Stress umgehen und ihr psychisches Wohlbefinden schützen können, während sie anderen helfen.

Isa denkt an die Erfahrung zurück: „Während der Noteinsätze konnte ich nicht mehr lachen. Jetzt, nach der Therapiesitzung, kann ich es wieder. Ich lernte, mit Stress im Zusammenhang mit den Ereignissen umzugehen.“

Manchmal muss man das Geschehene einfach akzeptieren.

Rachael Yohanna

„Wenn ich sah, wie die Menschen in den Fluten ums Überleben kämpften, fragte ich mich, wie sie es schaffen würden. Sie haben ihr ganzes Hab und Gut verloren. Es war überwältigend. Ich hatte Mitleid mit den Opfern“, sagte Rachael Yohanna, Freiwillige beim Hygiene-Team der NRCS in Maiduguri.

Am Schlimmsten für sie war es, eine Mutter zu sehen, deren Baby von den Fluten weggeschwemmt wurde. Rachel konnte nach diesem Erlebnis nicht mehr schlafen. Nach vielen Tagen mit solchen herzzerreissenden Szenen besuchte sie eine Veranstaltung für Helferinnen und Helfer.

Racheal Yohanna, Nigerian Red Cross Society volunteer
Mohammed Ibrahim

Rachael Yohanna, Freiwillige der Nigerianischen Rotkreuzgesellschaft in Maiduguri.

„Es war sehr wichtig für mich“, sagte Rachael. „Ich habe gelernt, dass man das Geschehene einfach akzeptieren muss. Man kann es nicht ändern, aber man kann lernen, sich an die Situation anzupassen.“

Ausserdem eignete sie sich wertvolle Bewältigungsstrategien an. „Man kann Stress bewältigen, zum Beispiel durch das Vermeiden von unnötigem Stress oder überflüssigen Interaktionen, durch Ruhe oder Schlaf. Wenn man gestresst ist und einfach weitermacht, bricht man irgendwann zusammen.“

Um anderen helfen zu können, muss man unbedingt sich selbst Sorge tragen.

Zainab Musa Sheriff

Nach der Überschwemmung, die ihre Gemeinde zerstört hat, war Zainab Musa Sheriffs Herz schwer.

„Eine Mutter verlor ihr Baby in den reissenden Fluten. Ältere Menschen verschwanden und zahlreiche weitere werden vermisst. Stellen Sie sich vor, nicht zu wissen, wo Sie schlafen, wie Sie sich anziehen sollen oder wann Sie wieder essen können. Es war fürchterlich, die Panik in den Stimmen eines Elternpaars zu hören, das seine Kinder als vermisst meldete und sie später leblos entdeckte“, erzählte Zainab Musa Sheriff, eine Freiwillige des Programms zur Wiederherstellung der Familienbande der NRCS.

Vor ihrer Teilnahme an einer Beratungsveranstaltung fand Zainab Besuche in Lagern für Binnenvertriebene erdrückend. Die emotionale Belastung löste bei ihr Kopfschmerzen und Schwindel aus.

Bei der Veranstaltung lernte sie, wie wichtig es ist, sich in erster Linie um ihr eigenes Wohlbefinden und ihre Sicherheit zu kümmern. „Um anderen helfen zu können, muss man unbedingt sich selbst Sorge tragen.“

Zainab Musa Sheriff, Nigerian Red Cross Society volunteer
Mohammed Ibrahim

Zainab Musa Ibrahim, Freiwillige des Nigerianischen Roten Kreuzes in Maiduguri.

„Die psychischen Bedürfnisse der Helferinnen und Helfer vor Ort ähneln weitgehend jenen der Menschen, denen sie helfen, doch kommen aufgrund ihrer Einsätze in sehr schwierigen Verhältnissen bestimmte Bedürfnisse hinzu“, erklärte Islam Jamil Alaraj, die das Programm für die psychische Gesundheit der Helferinnen und Helfer für das IKRK in Nigeria leitet.

„Häufige Probleme sind auf Stress zurückzuführen, der über alltägliche Stressfaktoren hinausgeht“, fügte sie hinzu. Die Unterstützung der Mitarbeitenden und Freiwilligen ermächtigt diese in ihrer Rolle und verbessert die Qualität ihrer Arbeit, indem sie mit Instrumenten für die Selbstfürsorge ausgestattet werden und lernen, besser mit den betroffenen Menschen zu kommunizieren.