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Das IKRK 2024: Für mehr Menschlichkeit in Konflikten

Kids at the shelter playing with an ICRC worker
Sandro Basili/IKRK

Mit dem nahenden Ende des Jahres 2024 drängt sich uns eine schreckliche Zahl auf: 120.

Mehr als 120 bewaffnete Konflikte sind derzeit weltweit im Gange. Nur wenige davon erhalten globale Aufmerksamkeit. Millionen Menschen auf der ganzen Welt leiden in Kriegen, die es nur selten in die Schlagzeilen schaffen. Häufig werden bei diesen Konflikten die Regeln des humanitären Völkerrechts komplett missachtet. Diese Verstösse rauben den Menschen ihre Würde und verletzen ihre grundlegenden Rechte.

Die anhaltenden Konflikte zerstören lebenswichtige Infrastruktur und unterbinden so den Zugang zu Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung und Bildung für unzählige Menschen. Schulen, Spitäler und Wohnungen – Orte, die Sicherheit und Stabilität bieten sollten – sind zu Angriffszielen geworden. Die Folgen des Krieges reichen weit über die unmittelbaren physischen Schäden hinaus. Familien werden vertrieben, Angehörige voneinander getrennt und Gemeinschaften haben mit den langfristigen Folgen von Waffenkontamination zu kämpfen, wodurch die sichere Rückkehr in ihre Heimat häufig unmöglich ist. Allzu oft sind es die verletzlichsten Menschen – Kinder, ältere Menschen, Kranke –, die die grösste Last zu tragen haben.

Dennoch haben wir dieses Jahr auch einen wichtigen Meilenstein gefeiert: das 75-jährige Bestehen der Genfer Abkommen, einem Grundpfeiler des humanitären Völkerrechts, der die Menschlichkeit angesichts von Kriegen seit 1949 schützt.

Die Genfer Abkommen haben im Vergleich zu vor 75 Jahren in keiner Weise an Bedeutung verloren. Sie legen Regeln fest, die die Zivilbevölkerung, Gefangene, Verwundete und Kranke schützen. Sie sind ein Zeugnis der kollektiven Entschlossenheit der Weltgemeinschaft, der Zerstörung von Kriegen Grenzen zu setzen.

Auch der Auftrag des IKRK ist noch immer derselbe: die Menschen, die von Konflikt und bewaffneter Gewalt betroffen sind, zu schützen, das humanitäre Völkerrecht zu fördern sowie wesentliche Dienste zu erhalten und grundlegende Rechte zu wahren. Menschlichkeit steht stets im Mittelpunkt unserer Arbeit. Wir werden im Angesicht von Konflikten und Hindernissen nicht nachlassen. Auch im Jahr 2025 verpflichten wir uns, den am stärksten betroffenen Menschen beizustehen und uns für eine Welt einzusetzen, in der Menschlichkeit und Mitgefühl selbst in dunkelsten Zeiten überwiegen.

IKRK

Nigeria: Rückkehr dreier Geschwister nach sechs Jahren der Trennung

Das IKRK half mit, die 16-jährige Kaltum Suleiman und ihre jüngeren Geschwister mit Angehörigen in Maiduguri zu vereinen, nachdem sie sechs Jahre lang wegen des bewaffneten Konflikts getrennt gewesen waren. Die Kinder waren zunächst gemeinsam mit ihrer Mutter vor der Gewalt in ihrem Dorf in den Tschad geflohen, wurden jedoch bei einem weiteren Angriff von der Mutter getrennt. Kaltum sorgte dafür, dass die Geschwister beieinander blieben, und schliesslich fand sie in Monguno Freiwillige des Nigerianischen Roten Kreuzes, die sie bei einem Family-Links-Dienst registrierten. Die Informationen, die die Kinder angaben, halfen dem IKRK, ihre Angehörigen zu finden. Die Mutter wird leider weiterhin vermisst, doch zumindest brachte ihnen die Wiedervereinigung mit ihrem Bruder Hassan Freude und neue Hoffnung. Kaltums Erfahrung hat in dem Mädchen den Wunsch geweckt, später einmal anderen Menschen zu helfen.

Nadwa sits in her shop, smiling at the camera
Diman Ameen/IKRK

Syrische Frauen: Herausforderungen in Chancen verwandeln

In den letzten dreizehn Jahren des Konflikts war das Leben der syrischen Frauen geprägt von Not, Vertreibung, Verlust und Schmerzen. Inmitten der Zerstörung ist es jedoch einigen erstaunlich erfinderischen Frauen gelungen, sich durchzuschlagen und ein tolles Vorbild für die nächste Generation von Mädchen und Frauen in ihrem Land zu sein. Sie ebneten den Weg für die nachkommenden Generationen und liessen alle erkennen, dass Hoffnung Unmögliches möglich macht, und dass man Herausforderungen in Chancen verwandeln kann. Anlässlich des Internationalen Tages der Frau 2024 porträtierte des IKRK vier syrische Frauen, die in einem schwierigen Umfeld und häufig, während sie sich gleichzeitig um ihre Familie kümmern mussten, ein erfolgreiches Geschäft aufgebaut haben. Unterstützt durch das IKRK zeigen diese Frauen unbeirrte Hoffnung und die Entschlossenheit, erfolgreich zu sein und andere zu inspirieren.

Henriette, survivor of sexual violence in the DRC.

Demokratische Republik Kongo: Unterstützung für Überlebende von sexueller Gewalt

Weit ab von der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zerstört ein Konflikt weitere Leben – in der Demokratischen Republik Kongo. Sexuelle Gewalt ist neben den eigentlichen Kämpfen weit verbreitet. In dem Land sind Opfer und Überlebende von sexueller Gewalt zusätzlich zu den körperlichen und psychischen Folgen mit zahlreichen weiteren Konsequenzen konfrontiert, darunter sozialer Ablehnung und wirtschaftlicher Ausgrenzung. Mehr als die Hälfte aller betroffenen Frauen berichtet, dass sie keine Hilfe suchen und sich keinen Familienangehörigen anvertrauen wollen. Unter Kindern und Männern, die sexuelle Gewalt erlebt haben, ist dieser Anteil sogar noch höher. Das Rote Kreuz betreibt „Häuser des Zuhörens“ für Überlebende, in denen sie Zuflucht finden und Unterstützung erhalten. Einige dieser Menschen erzählen hier ihre Geschichte.

Kolumbien: Geschichten von Betroffenen

Wer sich auf die Seite derjenigen stellt, die am stärksten von bewaffneten Konflikten und Gewalt betroffen sind, arbeitet auch gemeinsam mit diesen Menschen an neuen Projekten. Im Laufe des Jahres 2023 setzten wir uns an der Seite der Menschen, die unseren Teams vor Ort in Kolumbien vertrauten, dafür ein, die Resilienz zu stärken. Wir glauben an die innere Stärke dieser Gemeinschaften, die zu Architekten ihres eigenen Schicksals geworden sind. Dabei gilt es nicht nur, physische Strukturen wiederaufzubauen, sondern auch, die Grundpfeiler der Gemeinschaft zu stärken. Deshalb achten wir auf Vielfalt und Inklusion als grundlegende Säulen unserer Arbeit.

Kinder und Krieg: Folgen der Waffenkontamination im Irak

Die Geschichten von Shujaa, Fadhil, Sundus und Hussein zeigen, welch schwerwiegende Folgen nicht explodierte Kampfmittelrückstände auf die Bevölkerung im Irak haben. Als eines der am stärksten durch Waffen kontaminierten Länder der Welt kämpft der Irak noch immer mit den langfristigen Folgen vergangener Konflikte, u. a. mit Landminen und Streumunition. Das IKRK spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Krise und leistet grundlegende Unterstützung für die Opfer von Blindgängern. Durch finanzielle Hilfe, Sensibilisierungskampagnen und physische Rehabilitation schenkt das IKRK Menschen, die im Zusammenhang mit dem Konflikt verletzt wurden, neue Hoffnung.

Ma San San Maw repara una prótesis.

Myanmar: Eine Reparateurin repariert ihr eigenes Leben und hilft anderen Menschen

Ma San San Maw bei der Arbeit als Reparateurin zuzusehen, ist lehrreich: Sie zieht Schrauben an und repariert Prothesen und Orthesen für Menschen mit Behinderung. Doch ihre Geschichte zu hören, wenn sie erzählt, wie sie eine Landminenverletzung überlebte, ihre Depression überwand und dann zur Reparateurin wurde, um sich auf ihre Fähigkeiten anstatt auf ihre Behinderung zu konzentrieren – ist eine echte Inspiration.

Svitlana leaning against a wall in her home

Das lange Warten auf Nachricht: Das Kämpfen und die Resilienz von Familien, die Angehörige im bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine verloren haben

Tausende Familien erhielten Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen und konnten so Gewissheit erlangen. Doch Zehntausende wissen noch immer nicht, wo ihre Liebsten sind oder was mit ihnen geschehen ist. Am Internationalen Tag der Vermissten berichteten wir über die Geschichten dieser Familien, die auf Nachricht warten.

Doctor Elmondo Odas in Saint Marie Hospital, Brooklyn, Cité Soleil

Haiti: Chronisch gestresst und in ständiger Angst lebend versucht das Gesundheitspersonal, Leben zu retten

Dr. Odans beschreibt sich selbst gerne als Kind der „Cité Soleil“. Er liebt die Menschen hier und ist stolz auf sein Volk. Er wünscht sich eine bessere Zukunft für alle hier. Er träumt von besseren Zeiten für seine acht Monate alte Tochter. Aber das Leben in einer der vom bewaffneten Konflikt am stärksten betroffenen Gegenden in Port-au-Prince ist nicht leicht, schon gar nicht als Teil des medizinischen Personals einer der wenigen noch funktionsfähigen Gesundheitseinrichtungen der Stadt.

Ghadi sits on a step and makes a peace sign
Sandro Basili / IKRK

Libanon: Vertriebene stärken ihre Resilienz in den Vororten von Beirut

Binnenvertriebene gehören in Krisenzeiten zu den verletzlichsten Bevölkerungsgruppen. Sie flüchten nicht ins Ausland, sondern bleiben innerhalb der Landesgrenzen und vertrauen auf den Schutz durch ihr eigenes Land. In instabilen Situationen ist jedoch die Kapazität eines Staates, seiner diesbezüglichen Verantwortung nachzukommen, unter Umständen begrenzt. Viele vertriebene Familien, die nach der Eskalation der Feindseligkeiten im Libanon auf der Strasse schlafen mussten, durften nun in der neu eingerichteten Notunterkunft im Karantina-Quartier in Beirut Zuflucht suchen. Der Ort wurde für die durch den Konflikt vertriebenen Familien zum Rettungsanker. Die Unterkunft war früher ein baufälliges Gebäude. Gemeinschaftliche Anstrengungen der lokalen Behörden, der Menschen vor Ort und internationaler Organisationen wie dem IKRK ermöglichten ihre Erneuerung. Lesen Sie die Geschichten einiger der Kinder von Karantina.

ICRC staff assessing a collapsed building
Kunlawat Note Chittarat / IKRK

Humanitäre Krise in Gaza: Der Einsatz des IKRK zur Bereitstellung lebensrettender Hilfe angesichts des Konflikts und der allgemeinen Mangellage

Das Leben der Zivilbevölkerung in Gaza wird immer schwieriger. Die Familien leiden unter einem schweren Mangel an Nahrung, sauberem Wasser, medizinischen Gütern und Unterkünften. Die anhaltende Gewalt hat zu einer massiven Beschädigung der Infrastruktur und zu schrumpfenden Einkommensmöglichkeiten geführt. Zudem erschweren die strengen Beschränkungen bei der Einführung grundlegender humanitärer Güter den Alltag enorm.

Helfen Sie uns, 2025 wirksam zu helfen

In einer von Kriegen zerrütteten Welt, in der das Leben von Millionen von Menschen durch Konflikte zerstört wurde, ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ein einzigartiges Zeichen der Hoffnung für diejenigen, deren Leben für immer geschädigt wurde.

A child admitted in the intensive care unit in Kismayo, General Hospital stabilization centre.