Wie das IKRK im Rahmen der Waffenstillstandsvereinbarung zwischen der Hamas und Israel die Rückführung Verstorbener unterstützt
Infolge der jüngsten Waffenstillstandsvereinbarung erleichtert das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) auf Wunsch der Konfliktparteien weiterhin die Rückführung Verstorbener an forensische Behörden in Gaza und Israel.
Infolge der jüngsten Waffenstillstandsvereinbarung erleichtert das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) auf Wunsch der Konfliktparteien weiterhin die Rückführung Verstorbener an forensische Behörden in Gaza und Israel.
Unter der aktuellen Waffenstillstandsvereinbarung unterstützte das IKRK die Rückführung von 300 verstorbenen Palästinensern und 23 verstorbenen Geiseln israelischer und anderer Nationalitäten. Seit Oktober 2023 hat das IKRK insgesamt 31 verstorbene Geiseln zurückgeführt.* Verstorbene Palästinenser wurden unter früheren Waffenstillstandsvereinbarungen keine zurückgeführt.
Das IKRK verrichtet diese komplexe humanitäre Arbeit strikt auf Wunsch und in Abstimmung mit den Parteien. Diese Einsätze widerspiegeln die langjährige Rolle des IKRK als neutraler Vermittler, der ähnliche Rückführungen Verstorbener unter anderem im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine unterstützt hat. Diese Arbeit trägt wesentlich dazu bei, dass die lokalen forensischen Behörden die Verstorbenen identifizieren und den wartenden Familien Antworten liefern können.
Die Arbeit des IKRK, die auf jahrzehntelanger weltweiter Erfahrung beruht, beginnt, wenn die sterblichen Überreste seinen Mitarbeitenden übergeben werden. Oberste Priorität der Organisation ist die Gewährleistung einer sorgfältigen und würdevollen Behandlung der sterblichen Überreste und die Einhaltung anerkannter forensischer und humanitärer Standards bei allen Überführungen.
Zu diesem Zweck stellt das IKRK Leichensäcke und Kühlfahrzeuge bereit und setzt geschultes Personal ein, das die Verstorbenen vom Zeitpunkt, zu dem sie in Empfang genommen werden, bis zur deren Übergabe an die entsprechenden Behörden würdevoll behandelt. Das IKRK öffnet Leichensäcke nicht und nimmt während oder nach der Überführung keine Untersuchungen vor. Wenn zu den sterblichen Überresten Unterlagen vorhanden sind, übermittelt das IKRK diese an die Empfängerseite.
Das IKRK ortet oder exhumiert keine sterblichen Überreste. Gemäss den Genfer Abkommen von 1949 sind Parteien eines bewaffneten Konflikts rechtlich verpflichtet, nach Toten zu suchen, sie zu bergen und zu evakuieren und zwar ungeachtet dessen, wer sie sind. Zudem müssen sie sich nach besten Kräften bemühen, sie zu identifizieren. Die Parteien müssen den Familien alle vorhandenen Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen übermitteln. Das IKRK kann technische Beratung bereitstellen, ist jedoch nicht für die Identifizierung verantwortlich.
* zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
Überführungen
Das IKRK wendet bei allen Überführungen – ob es sich um verstorbene Geiseln oder Palästinenser handelt – dieselben technischen Standards an und geht mit gleicher Sorgfalt und gleichem Respekt vor. Diese Operationen werden oft kurzfristig durchgeführt und erfordern eine sorgfältige Planung, um sowohl die Sicherheit der IKRK-Teams als auch den würdevollen Umgang mit den Verstorbenen zu gewährleisten.
Vor jeder Überführung verlangen die IKRK-Teams Informationen zur Anzahl der zu überführenden Verstorbenen und vergewissern sich, dass ausreichend Personal, Leichensäcke und Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Die Teams werden mit Schutzausrüstung, darunter Handschuhe, Schürzen und Masken, ausgestattet, um ihre Sicherheit während des Prozesses zu gewährleisten.
Bei den Operationen nimmt das IKRK die Verstorbenen von den Parteien in Empfang, vergewissert sich, dass sie angemessen eingepackt sind und transportiert sie in Ambulanzen oder Kühlfahrzeugen zwecks Identifizierung zu den entsprechenden Behörden. Lokale Gesundheits- und forensische Behörden sind für sämtliche Identifizierungsverfahren zuständig.
Forensik und Identifizierung
In Israel identifiziert das Nationale Institut für forensische Medizin in Tel Aviv die vom IKRK zurückgeführten verstorbenen Geiseln. Die israelischen forensischen Behörden verfügen über die technischen Fähigkeiten und die erforderliche Erfahrung. Ende 2023 leistete das IKRK dieser Einrichtung technische Unterstützung und stellte dem DNA-Labor der IDF Mortuary Affairs Fachwissen bereit, um dessen Fähigkeit zur Identifizierung in komplexen Fällen zu verbessern. In Gaza ist das Gesundheitsministerium die wichtigste forensische Behörde. Allerdings sind die forensischen Kapazitäten in Gaza nach zwei Jahren mit intensiven Kampfhandlungen extrem begrenzt. Einrichtungen für DNA-Tests gibt es zurzeit keine; zahnmedizinische und medizinische Akten sind oft unzugänglich und den Labors fehlt es an Ausrüstung und der nötigen Infrastruktur, um DNA-Proben aufzubewahren. Unter diesen Umständen muss sorgfältig mit nicht identifizierten sterblichen Überresten umgegangen werden, um in Zukunft eine Identifizierung zu ermöglichen, wenn die Kapazitäten wiederhergestellt oder alternative Methoden verfügbar sind.
Das IKRK hält sich bereit, technisches Wissen bereitzustellen und auf Wunsch Unterstützung zu leisten. Zurzeit hilft es den Gesundheits- und den forensischen Behörden in Gaza dabei, den angemessenen Umgang mit den Verstorbenen, einschliesslich jener, die noch nicht identifiziert sind, sowie die erforderliche Dokumentation und Nachverfolgbarkeit sicherzustellen. Dazu gehören die Schulung im würdevollen Umgang mit Verstorbenen, die Bereitstellung von Material wie Leichensäcke, Identifikationsetiketten, Schutzausrüstung für die Mitarbeitenden sowie IT- und Kühlausrüstung. Das IKRK unterstützt auch das Datenmanagement sowie Projekte im Zusammenhang mit dem Friedhofsmanagement und der Infrastruktur.
Diese Bemühungen sollen dazu beitragen, eine angemessene Dokumentation und Nachverfolgbarkeit der sterblichen Überreste zu gewährleisten und so die Chancen einer künftigen Identifizierung zu maximieren, damit die betroffenen Familien Antworten erhalten können.