Explosive Kampfmittel-rückstände und das humanitäre Völkerrecht
Wenn ein bewaffneter Konflikt endet, sind die Schlachtfelder oft voller explosiver Überreste. Ein Grossteil dieser Überreste ist nach wie vor gefährlich, insbesondere die von den Kombattanten zurückgelassenen Waffen sowie Sprengmunition, die zwar abgefeuert wurde, aber nicht wie beabsichtigt explodiert ist.
In von Konflikten betroffenen Ländern bedroht das schlichte Vorhandensein dieser Waffen das Leben der Menschen. Viele unschuldige Zivilisten haben Gliedmassen oder sogar ihr Leben verloren, als sie mit explosiven Kampfmittelrückständen in Berührung kamen. Diese Waffen können auch die Bemühungen um einen Wiederaufbau behindern und die Existenzgrundlage der Menschen bedrohen. Häuser, Spitäler und Schulen können erst dann wieder aufgebaut und verseuchtes Land kann erst dann wieder bewirtschaftet werden, wenn solche Waffen geräumt sind.
Die Menschen vor Ort haben oft keine Mittel, das Problem selbst zu lösen. Die meisten verfügen nicht über die technischen Fähigkeiten oder die Ressourcen, um explosive Kampfmittelrückstände sicher zu räumen, und nur wenige können mit den psychologischen und medizinischen Bedürfnissen sowie dem Rehabilitationsbedarf der Betroffenen umgehen.
Aktuell gibt es in über 80 Ländern weltweit Millionen explosiver Kampfmittelrückstände. Einige Länder beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit diesem Problem. In Polen wurden beispielsweise rund 100 Millionen Sprengkörper aus den beiden Weltkriegen geräumt. In Laos müssen nach dem Ende der Indochina-Kriege 1975 noch Dutzende Millionen Sprengkörper geräumt werden. Auch im Rahmen aktuellerer Konflikte wie in Afghanistan, im Irak und im Sudan wurden ebenfalls erhebliche Mengen an Sprengkörpern zurückgelassen.
Die Staaten haben bedeutende Massnahmen ergriffen, um das durch explosive Kampfmittelrückstände verursachte menschliche Leid zu verringern und den betroffenen Menschen Hilfe bereitzustellen. Das Protokoll über explosive Kampfmittelrückstände wurde im November 2003 von den Vertragsstaaten des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen aus dem Jahr 1980 angenommen und ist ein wichtiger Fortschritt bei den Bemühungen, dem durch nicht explodierte und zurückgelassene Munition verursachten Leid ein Ende zu bereiten.
Das Protokoll verpflichtet jede Konfliktpartei, explosive Kampfmittelrückstände aus dem von ihr kontrollierten Gebiet zu räumen, sobald die Kampfhandlungen beendet sind. Es verpflichtet sie ferner, technische, materielle und finanzielle Unterstützung zur Beseitigung explosiver Kampfmittelrückstände in nicht unter ihrer Kontrolle stehenden Gebieten zu leisten, die aber das Ergebnis ihren Einsätze sind.
Da die Räumung derartiger Waffen Jahre dauern kann, müssen Massnahmen wie Markierungen, Umzäunungen und Sensibilisierungsveranstaltungen für die Menschen vor Ort durchgeführt werden, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Staaten müssen auch Hilfe bei der Betreuung und Rehabilitation von Betroffenen leisten, wenn sie dazu in der Lage sind.
Um diese Massnahmen zu fördern, verpflichtet das Protokoll die Konfliktparteien, Informationen über die während eines Konflikts verwendeten Sprengkörper aufzuzeichnen und diese Informationen nach dem Ende der Kampfhandlungen an andere Parteien und mit Waffenräumung befasste Organisationen weiterzugeben. Fehlende Informationen haben in der Vergangenheit die Bemühungen um einen aktiven Umgang mit explosiven Kampfmittelrückständen oftmals verlangsamt.
Das Protokoll stellt einen bedeutenden Fortschritt dar und bietet einen wichtigen Rahmen zur Förderung einer raschen Reaktion in Situationen, in denen weiterhin explosive Kampfmittelrückstände vorhanden sind. Die Sicherheit der Zivilbevölkerung wird erheblich verbessert werden, wenn alle Staaten dem Protokoll beitreten und dessen Bestimmungen in vollem Umfang umsetzen.