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Ukraine: Zu Beginn des neuen Schuljahres bleiben Sicherheitslektionen über die Gefahr von Explosivwaffen lebenswichtig

ICRC delelgate talking to students seated at desks in a classroom with information about explosive ordanances on a board behind her

Das neue Schuljahr in der Ukraine – heute leider einem der am stärksten durch Waffen kontaminierten Länder der Welt – hat erst vor Kurzem begonnen, und es gilt, sich nicht nur mit dem akademischen Schulstoff zu befassen. Die weite Verbreitung explosiver Kampfmittel, inklusive Landminen und Blindgänger, ist eine grosse Gefahr für Kinder. Das Vermitteln von Sicherheitsmassnahmen ist deshalb ein entscheidender Teil des Lehrplans geworden.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) setzt sich aktiv dafür ein, Kindern und Jugendlichen gezielte Sicherheitshinweise zu vermitteln und Lehrer darin zu schulen, diese Hinweise an Schulkinder weiterzugeben, um die Verletzungsgefahr durch explosive Kampfmittel zu verringern. Minen, Streumunition und andere nicht explodierte oder zurückgelassene Kampfmittel stellen nach wie vor eine Bedrohung dar, insbesondere in den Frontgebieten und in den zurückeroberten Gebieten.

Durch Sensibilisierung und Aufklärung vermittelt das IKRK jungen Menschen das nötige Wissen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Zwischen 2023 und Mitte 2024 nahmen mehr als 67 000 Kinder an den gemeinsam mit dem ukrainischen Roten Kreuz durchgeführten Schulungen zum Thema Risikobewusstsein und sicheres Verhalten teil.

Diese Bemühungen gehen über die direkte Ansprache von Schülern hinaus. 124 Lehrerinnen und Lehrer in der gesamten Ukraine wurden geschult, um diese wichtigen Sicherheitsbotschaften zu vermitteln und so eine grössere Reichweite und nachhaltige Wirkung zu erzielen. Die folgenden Geschichten veranschaulichen den greifbaren Unterschied, den diese Initiativen im Leben der jungen Schüler bewirken.

Danylo, a ninth-grader from Kyiv, participates in risk awareness and safe behaviour session at school. Anna Bilous/ICRC
Anna Bilous/IKRK

Danylos unerwartete Lehre

Danylo, ein Neuntklässler aus Kiew, gehört zu denjenigen, die mit dieser neuen Realität konfrontiert sind. Er berichtet von seiner Erfahrung und erklärt: „Harte Zeiten bringen starke Menschen hervor.“ Er weiss, dass seine Generation vor grossen Herausforderungen steht. Trotz der Beeinträchtigungen seiner Schulzeit und der Notwendigkeit, zwischen Präsenz- und Fernunterricht hin- und her zu wechseln, ist Danylos Wissensdurst ungebremst. Er findet Trost in seinen Lieblingsfächern, insbesondere in der Geschichte, mit deren Hilfe er die Gegenwart beleuchtet.

Der bewaffnete Konflikt hat Danylo dazu gezwungen, sich einer düsteren Realität zu stellen. „Bis 2022 interessierte ich mich nicht für Waffen, aber jetzt muss ich das“, erzählt er. Dank der Informationsveranstaltungen des IKRK kennt Danylo heute die verschiedenen Arten von Explosivwaffen und weiss, welche Sicherheitsmassnahmen er befolgen muss. Er ist sich der Gefahren in seinem Leben bewusst, insbesondere, da das Sommerhaus seiner Familie in einer möglicherweise verminten Gegend liegt.

Maksym, a 15-year-old from Kyiv, participates in risk awareness and safe behaviour session at school. Anna Bilous/ICRC
Anna Bilous/IKRK

Maksyms knappes Entkommen

Dem 15-jährigen Maksym aus Kiew geht es ähnlich. Seine Begeisterung für Sport und Angeln nahm ein abruptes Ende, als eines Morgens in der Nähe seiner Schule eine heftige Explosion erfolgte. „Es war früh am Morgen, ich schlief noch. Dann gab es eine Explosion und die Balkontür flog auf“, erinnert er sich. Durch die Druckwelle zerbarsten die Fenster im Schulgebäude und der Unterricht wurde abgesagt. Maksym und seine Freunde wollten beim Aufräumen mithelfen, doch um ihre Sicherheit nicht zu gefährden, hielten ihre Lehrkräfte sie davon ab.

An ICRC officer conducts risk awareness and safe behaviour training session at school. Anna Bilous/ICRC
Anna Bilous/IKRK

Erfahrungen von der Bildungsfront

Yuliia ist Waffenräumungsexpertin in Kiew und erlebt aus nächster Nähe, wie sich der Konflikt auf die jungen Menschen auswirkt. „Wenn man die Schulen besucht, sieht man, wie tief der bewaffnete Konflikt die Schülerinnen und Schüler erschüttert“, berichtet sie. „Die Kinder werden schneller erwachsen und verstehen bestimmte Realitäten besser als Erwachsene.“ Sie hat auch festgestellt, dass die Reaktionen je nach Standort der Schule unterschiedlich ausfallen: Kinder in abgelegenen Gebieten sind offener und berichten gerne über ihre Erlebnisse, während diejenigen in den Städten eher zurückhaltend sind, sich aber dennoch neugierig und engagiert zeigen.

Das IKRK hat altersgerechte Ressourcen, inklusive Comics, für jüngere Kinder und für Jugendliche entwickelt, um konkrete Sicherheitsbotschaften zu vermitteln.

An ICRC officer conducts risk awareness and safe behaviour training session at school. Anna Bilous/ICRC
Anna Bilous/IKRK

Stärkung der Eigeninitiative durch Bildung

Die Stimmen von Danylo und Maksym zeigen, wie entscheidend Bildung ist, um die Gefahr von Explosivwaffen zu mindern. Der mehrgleisige Ansatz des IKRK, unter anderem mit direkten Besuchen in Schulen und Lehrstätten, der Entwicklung von Bildungsressourcen und institutioneller Unterstützung, zielt darauf ab, ein sichereres Umfeld für die betroffenen Gemeinschaften zu schaffen.

Zusätzlich bietet das IKRK regelmässige Schulungen für Einrichtungen wie dem Ukrainischen Staatlichen Notfalldienst an und arbeitet mit dem Ukrainischen Roten Kreuz, um der Bevölkerung lebenswichtige Informationen über die Gefahr von Landminen und Blindgängern zu vermitteln.

Zu Beginn des neuen Schuljahres für die Kinder in der Ukraine schwebt der Schatten des bewaffneten Konflikts bedrohlich über ihnen. Doch trotz dieser Schwierigkeiten finden sich auch Resilienz, Hoffnung und eine kollektive Anstrengung, damit das Leben dieser jungen Menschen nicht ausschliesslich vom bewaffneten Konflikt beherrscht wird.