Internationaler bewaffneter Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: Fragen und Antworten zur Arbeit des IKRK

Im Folgenden werden falsche oder irreführende Informationen, die online über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und seine Arbeit im Rahmen des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen der Ukraine und Russland kursieren, berichtigt oder widerlegt.
Article 28. März 2023 Ukraine Russland

Auf dieser Seite beantworten wir die am häufigsten gestellten Fragen zu unserer Arbeit im Zusammenhang mit dem internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Die Seite wird laufend aktualisiert, um falsche und irreführende Informationen über uns und unsere Arbeit zu benennen und zu widerlegen.

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Weshalb meldet sich das IKRK öffentlich nicht deutlicher zu Wort?

Das IKRK arbeitet bevorzugt im vertraulichen Gespräch. Diese Vertraulichkeit ermöglicht uns, offen mit Menschen, Gruppen und den Parteien eines bewaffneten Konflikts oder den Beteiligten an anderen Gewaltsituationen zu sprechen. So können wir Vertrauen schaffen, Zugang zu Menschen und Gebieten erhalten und die Sicherheit sowohl unserer Mitarbeitenden als auch der Personen, denen wir helfen, gewährleisten.

Vertraulichkeit hilft uns, Beziehungen aufzubauen, die entscheidend sind, um Lösungen zu finden und unserer Arbeit nachzugehen. Mit diesem Ansatz vermeiden wir auch, dass Themen durch öffentliche Debatten politisiert werden, und wir schützen unsere Mitarbeitenden im Feld ebenso wie die Menschen, die wir unterstützen.

Dank dieser Herangehensweise ist es uns beispielsweise jüngst gelungen, die Freilassung von Kriegsgefangenen im Jemen und von entführten Mädchen in Nigeria auf den Weg zu bringen oder die Evakuierung von Zivilpersonen aus dem syrischen Aleppo und dem ukrainischen Mariupol zu organisieren. Es ist ein Ansatz, der Leben rettet, und genau das ist unsere Priorität.

Es ist nicht so, dass das IKRK gänzlich auf öffentliche Stellungnahmen verzichtet. Wir sehen jedoch davon ab, einseitige Verurteilungen einzelner Konfliktparteien vorzunehmen –, oder zumindest verurteilen wir diese nicht allzu direkt. Dafür mag man uns kritisieren. Eines aber ist klar: Unser letztliches Ziel – humanitäre Hilfe und Schutz zu leisten – darf nicht durch öffentliche Erklärungen gefährdet werden.

Öffentliches Anprangern bleibt für uns die Ausnahme. Darauf greifen wir nur dann zurück, wenn wir alle anderen sinnvollen Mittel der Einflussnahme auf die Parteien zugunsten der Einhaltung des humanitären Völkerrechts erschöpft haben, und wenn diese Mittel nicht die gewünschte Wirkung erzielt haben. Eine entsprechende Entscheidung fällen wir nie leichten Herzens, weil dabei die Gefahr besteht, dass sie den Schutz und die Hilfe, die wir bereitstellen können, untergräbt. Denn eines darf nie vergessen werden: Wir sind an unzähligen Orten im Einsatz, an denen ein prüfender Blick von aussen – oder gar öffentliche Kritik – alles andere als willkommen ist.

Weshalb ergreift das IKRK keine Partei?

Unser Auftrag ist es, das Leben und die Würde der Opfer von bewaffneten Konflikten und anderen Gewaltsituationen zu schützen und diesen Menschen zu helfen. Unsere Arbeitsmethoden müssen uns ermöglichen, genau diesen Auftrag zu erfüllen. Wir müssen in der Lage sein, in äusserst gefährlichen und von Gewalt geprägten Situationen bewaffneter Konflikte auf dem Schlachtfeld und auf beiden Seiten der Front zu arbeiten. Das funktioniert nur, wenn alle Parteien in unserer Präsenz einen Nutzen erkennen.

Neutralität ist hierbei nicht so sehr ein Wert, als vielmehr eine operative Notwendigkeit. Das bedeutet: Für uns ist Neutralität keine moralische Haltung. Neutralität ermöglicht, dass in Beziehungen komplexe Themen angesprochen werden können, welche sich direkt auf das Leben der Konfliktbetroffenen auswirken.

Das kann heissen, dass wir mit den Parteien arbeiten, um ein sicheres Geleit für Zivilpersonen auszuhandeln, was die Zusammenarbeit beider Seiten erfordert, oder um den Austausch der sterblichen Überreste gefallener Kombattantinnen und Kombattanten zu erwirken. Dank dieses Ansatzes ist es für uns überdies möglich, Informationen zu erhalten und zu übermitteln, zum Beispiel Nachrichten von vermissten Angehörigen an besorgte Familien. Wenn wir nur mit der Partei auf der einen Seite eines Konflikts das Gespräch suchen, können wir kritische Themen wie die Behandlung von Kriegsgefangenen oder die Durchführung der Kampfhandlungen nicht ansprechen.

Damit grundlegende Änderungen möglich sind, reicht es nicht, sich um die Menschen zu kümmern, die von einem bewaffneten Konflikt betroffen sind. Es ist vielmehr unabdingbar, dass wir auch einen ständigen Dialog mit den kriegführenden Parteien führen, um uns für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts einzusetzen.

Die Haltung des IKRK zu öffentlichen Erklärungen und Aufrufen wird manchmal kritisiert. Das IKRK wird im Hinblick auf öffentliche Erklärungen häufig als diskret oder zumindest zurückhaltend wahrgenommen -– was im Vergleich zu anderen Organisationen zweifellos stimmt. Angesichts der unterschiedlichen Mandate, Aufgaben und Tätigkeiten der verschiedenen Organisationen können Vergleiche jedoch irreführend sein.

Ist das IKRK korrupt oder voreingenommen?

Wir sind uns bewusst, dass die Menschen in einem Konflikt häufig ausdrückliche Unterstützung für ihre Seite erwarten – und dass eine fehlende ausdrückliche Unterstützung leicht mit Unterstützung für die gegnerische Seite verwechselt werden kann. Neutralität bedeutet, dass wir die Betroffenen von Konflikten und anderen Gewaltsituationen an erste Stelle setzen, unabhängig davon, wo oder auf welcher Seite sie sich befinden. Um diese Menschen zu erreichen, müssen wir frei mit den jeweiligen Konfliktparteien sprechen können.

Die Staaten sind gemäss dem humanitären Völkerrecht verpflichtet, die Arbeit des IKRK zu ermöglichen. Deshalb pflegen wir regelmässige Kontakte zu beiden Parteien im internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

Unser Dialog reicht von Gesprächen mit politischen Verantwortlichen bis hin zu Kontakten zu Befehlshabenden an der Front. Dabei ist es unser Ziel, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu fördern. Durch diese Gespräche versuchen wir zu erreichen, dass die Staaten ihre Verpflichtungen einhalten und das Leid der Betroffenen lindern. Dies erfordert kohärentes und stetes Engagement, Neutralität und Unparteilichkeit.

Nur im Dialog können wir das Vertrauen aufbauen, das uns ermöglicht, den verletzlichsten Menschen zu helfen – unter anderem gefangen gehaltenen Kombattanten und Kombattantinnen und Zivilpersonen in Frontnähe.

Rechenschaftspflicht ist für das IKRK ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Wir legen Rechenschaft ab gegenüber den Menschen, denen wir helfen, aber auch gegenüber unseren Partnern und Spenderinnen und Spendern. Jedes Jahr im Juni veröffentlichen wir einen Tätigkeitsbericht, in dem alle Informationen im Zusammenhang mit unserer Finanzierung offengelegt werden.

Was sagen Sie zu den Kommentaren von Präsident Selenski am G20-Gipfeltreffen?

Das IKRK fordert Zugang zu allen Kriegsgefangenen und internierten Zivilpersonen. Diese Menschen haben ein Recht auf Besuche durch das IKRK. Zudem haben alle Familien das Recht, zu erfahren, was mit ihren Angehörigen geschehen ist. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, ungehinderten und regelmässigen Zugang zu allen Kriegsgefangenen zu erhalten.

Die Verantwortung dafür, dem IKRK den Zugang zu gewähren, liegt jedoch bei den Konfliktparteien, also den Staaten, die sich mit den in den Genfer Abkommen verankerten Pflichten einverstanden erklärt haben.

Wir rufen die Konfliktparteien auf, ihre Pflichten gemäss den Genfer Abkommen zu erfüllen, und dazu gehört auch, dass sie dem IKRK den Zugang zu Kriegsgefangenen und internierten Zivilpersonen gewähren.

Weshalb unternimmt das IKRK nicht mehr für die Kriegsgefangenen?

Das IKRK hat im Rahmen des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine bereits Hunderte von Kriegsgefangenen auf beiden Seiten besucht. Wenn wir eine Haftanstalt besuchen, beurteilen wir die Inhaftierungsbedingungen und die Behandlung der Kriegsgefangenen. Ausserdem überbringen wir sehnlichst erwartete Nachrichten an ihre Familien und verteilen verschiedene Gegenstände wie Decken, warme Kleider, persönliche Hygieneartikel und Bücher an die Gefangenen.

Wir sind uns bewusst, dass viele weitere Kriegsgefangene und internierte Zivilpersonen ähnliche Besuche hätten erhalten sollen, und wir fordern weiterhin Zugang zu all diesen Personen, gestützt auf unser humanitäres Engagement und unser Mandat gemäss den Genfer Abkommen. Wir wissen, dass für die Kriegsgefangenen und ihre Familien, die sich Zusicherungen wünschen, jeder Tag neue Ungewissheit bringt.

Gemäss dem Dritten und dem Vierten Genfer Abkommen und als Teil unserer Arbeit muss dem IKRK ermöglicht werden, alle Kriegsgefangenen und internierten Zivilpersonen zu besuchen, Zugang zu allen Orten zu erhalten, an denen sie festgehalten werden, und die Besuche so oft als nötig zu wiederholen. Alle Staaten sind gesetzlich verpflichtet, dies zu ermöglichen, denn alle Staaten haben die Genfer Abkommen unterzeichnet.

Wir können die anwendbaren Regeln in diesem oder einem anderen bewaffneten Konflikt nicht durchsetzen. Dies ist die Verantwortung der Parteien, insbesondere in einem internationalen bewaffneten Konflikt. Das gilt auch für besetzte Gebiete. Es ist die Pflicht der Kriegsparteien, die Regeln einzuhalten, denen sie zugestimmt haben, ob es ihnen gefällt oder nicht.

Wir teilen die Frustration der Familien, die ängstlich auf Nachricht warten und nichts erfahren. Familien haben das Recht, über das Schicksal ihrer Angehörigen informiert zu werden, darüber, ob sie umgekommen oder noch am Leben sind und ob sie verletzt sind. Viele warten seit langen Monaten besorgt auf Informationen. Sie müssen Antworten erhalten, und zwar möglichst bald. Sie sind ungeduldig, genau wie wir.

Das IKRK sammelt Informationen über diese Menschen und leitet sie an ihr Herkunftsland weiter, damit die Familien über das Schicksal ihrer Angehörigen unterrichtet werden. Seit Februar haben wir nahezu 4000 Familien über ihre Angehörigen informiert. Diese Arbeit schenkt den Familien Hoffnung und ist eine absolute humanitäre Notwendigkeit.

Mit jedem Tag, der vergeht und an dem es uns nicht gelungen ist, alle Kriegsgefangenen zu besuchen, spüren wir, wie sehr die Zeit drängt. Die Menschlichkeit und die Würde dieser Personen dürfen nicht zurückgestellt werden. Sie benötigen Trost, Betreuung, Unterstützung und Schutz, genau wie Zivilpersonen. Deshalb arbeiten wir weiterhin unablässig mit den Konfliktparteien, um Zugang zu diesen Menschen zu erhalten.

Waren IKRK-Mitarbeiter an der Misshandlung von ukrainischen Kriegsgefangenen beteiligt oder haben sie diese bei Misshandlungen durch andere gefilmt?

Die Misshandlung von Kriegsgefangenen ist nicht nur nach der Dritten Genfer Konvention verboten, sondern auch zutiefst inakzeptabel. IKRK-Delegierte würden derartige Praktiken niemals tolerieren oder sich daran beteiligen.

Unsere Besuche an Inhaftierungsorten erfolgen nach strengen Protokollen. IKRK-Delegierte, die für den Besuch von Kriegsgefangenen ausgewählt werden, dürfen nicht die Staatsangehörigkeit eines der Länder haben, die an dem internationalen bewaffneten Konflikt beteiligt sind.

Keiner der IKRK-Mitarbeiter, die ukrainische Kriegsgefangene besucht haben, ist russischer Staatsangehöriger.

Bei Besuchen von Kriegsgefangenen führen IKRK-Delegierte keine Bild- oder Tonaufnahmegeräte mit sich.

Der Zugang zu allen Kriegsgefangenen und zivilen Inhaftierten bleibt eine der wichtigsten Prioritäten des IKRK, und wir werden uns weiterhin mit Nachdruck für einen besseren Zugang auf beiden Seiten einsetzen.

Ist das IKRK an der Deportation von Menschen beteiligt?

Das IKRK hilft unter keinen Umständen mit, Zwangsevakuierungen zu organisieren oder durchzuführen. Dies gilt für alle Orte, an denen wir im Einsatz sind. Wir würden kein Vorgehen unterstützen, das gegen den Willen der Menschen und gegen unsere Grundsätze verstösst.

Wir haben von den Behauptungen in den Medien über unfreiwillige Massenbewegungen von Menschen erfahren und verfolgen dieses Thema aufmerksam.

Unsere Arbeit basiert nicht nur auf öffentlich verfügbaren Informationen und beinhaltet auch eigene Faktenchecks. Wenn wir glaubwürdige Anschuldigungen über Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht vorzubringen haben, übermitteln wir diese an alle Parteien in einem vertraulichen bilateralen Dialog. Unser Ziel ist, durch diesen Dialog zu einer besseren Einhaltung des humanitären Völkerrechts beizutragen. Daneben ist einer unserer Kernarbeitsbereiche weiterhin die Wiedervereinigung von Familien, die aufgrund dieses internationalen bewaffneten Konflikts auseinandergerissen wurden.

Was unternimmt das IKRK für Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden?

Wir wissen, dass sich Betroffene grosse Sorgen um die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Familienangehörigen machen. Auf der ganzen Welt werden Familien in bewaffneten Konflikten häufig auseinandergerissen. Dies kann schwerwiegende Folgen für das Wohlergehen der Mitglieder und ihre Möglichkeit haben, wieder ein normales Leben zu führen.

Wie in jedem bewaffneten Konflikt spricht das IKRK die Frage unbegleiteter und von ihren Familien getrennter Kinder an, in diesem Fall sowohl mit den russischen als auch mit den ukrainischen Behörden, um sicherzustellen, dass die Familien und ihre Kinder registriert werden und eine angemessene Nachverfolgung der vermissten Angehörigen durchgeführt wird. Angehörige vermisster Kinder können beim IKRK eine Suchanfrage aufgeben, um eine Suche nach ihrem Kind einzuleiten.

Gelingt es, den Kontakt zur Familie wiederherzustellen, ermöglichen das IKRK und die nationalen Rotkreuzgesellschaften wann immer möglich eine Zusammenführung – vorausgesetzt, sowohl das Familienmitglied als auch das betroffene Kind haben zuvor zugestimmt.

Wie hilft das IKRK in der Ukraine?

Das IKRK ist seit 2014 in der Ukraine tätig. Seit dem 24. Februar 2022 haben wir unsere Präsenz und unsere Einsätze massiv ausgebaut, um den Betroffenen des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, die dringend auf humanitäre Hilfe – Nahrung, sauberes Wasser, Medikamente, Material für Unterkünfte etc. – angewiesen sind, besser zu helfen.

● Derzeit arbeiten fast 800 IKRK-Mitarbeitende in der Ukraine, darunter medizinische Fachleute, Waffenräumungsspezialistinnen und -spezialisten und anderes Personal für Noteinsatzteams. Die Mehrheit dieser Personen stammt aus der Ukraine und leidet oft selbst an den Folgen des Konflikts.

● Unsere Teams sind aktuell an acht verschiedenen Orten im Einsatz: Kiew, Odessa, Lwiw, Poltawa, Winnyzja, Dnipro, Donezk und Luhansk. Von dort aus arbeiten sie mit der vom Konflikt betroffenen Bevölkerung in Dutzenden Städten, auch entlang der Front.

● Der Zentrale Suchdienst hat ein Büro eigens für die Ukraine eingerichtet, um Informationen über das Schicksal und das Verbleiben von Menschen, sowohl Militärangehörige als auch Zivilpersonen, die dem Feind in die Hände gefallen sind und denen die Freiheit entzogen wurde, zu sammeln, zusammenzuführen und zu übermitteln.

● Wir haben Teams in Ungarn, Moldova, Polen, Rumänien und Russland, die mithelfen, unsere regionalen Einsätze zu unterstützen und uns mit unseren Partnern der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung abzustimmen.

● Zusätzlich zum Ausbau unserer operativen Tätigkeit vor Ort setzen wir unseren vertraulichen Dialog mit den Parteien über die Durchführung der Kampfhandlungen und den Schutz der Zivilbevölkerung fort und erinnern sie an ihre Verpflichtungen gemäss dem humanitären Völkerrecht. In diesen Gesprächen sprechen wir dringende humanitäre Anliegen an, beispielsweise den Zugang zu Kriegsgefangenen, die sichere Evakuierung von Zivilpersonen und die Erbringung von humanitärer Hilfe. Unser Ziel ist es, das Leiden der Menschen, die diesen Konflikt durchstehen müssen, zu lindern.

Wohin flossen all die Spenden, die das IKRK erhalten hat?

Infolge des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine erlebten wir eine sehr grosse Unterstützung für die betroffenen Menschen in Not. Im Jahr 2022 erhöhten wir unsere Kapazitäten für Einsätze zugunsten der Konfliktbetroffenen und setzten rund 416 Millionen CHF dafür ein, diesen Menschen in der Ukraine und ihren Nachbarländern zu helfen.

Die Mehrheit unserer Ausgaben[1] – fast 92 % – galt der Ukraine. Die verbleibenden Ausgaben betrafen unsere regionale Arbeit in benachbarten Ländern und unser eigens eingerichtetes Büro des Zentralen Suchdienstes für den internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Das Büro hilft Familien, ihre vermissten Angehörigen wiederzufinden, und es vermittelt Informationen über das Verbleiben derjenigen, die in die Hände des Feindes gefallen sind, einschliesslich Drittstaatenangehöriger. Es sucht sowohl nach Gefallenen als auch nach Personen, die noch am Leben sind.

Die Spenden ermöglichten dem IKRK, seine Einsätze auszubauen, um auf die riesigen Bedürfnisse in den direkt von den Kämpfen betroffenen Gebieten zu reagieren. Wir verfügen nun über fast 800 Mitarbeitende in acht stark vom Konflikt betroffenen Gebieten. Sie leisten lebensrettende Nothilfe und Dienste für Millionen von Menschen.

Seit Februar 2022 haben wir unsere Einsatzpläne und das Budget für die Ukraine und die benachbarten Länder immer wieder neu beurteilt und überarbeitet. Damit stellen wir sicher, dass unsere Pläne und die veranschlagten Ausgaben angesichts dessen, was wir erreichen können und was wir für die Deckung der humanitären Bedürfnisse in dieser Krise benötigen, realistisch sind.

Das IKRK ist äusserst dankbar für die grosse Unterstützung, die es im Zusammenhang mit den Folgen des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine erhalten hat. Die Beiträge der Partner aus der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, von Einzelpersonen, der Privatwirtschaft und den Staaten haben das Leben von Millionen von Menschen, die von diesem Konflikt betroffen sind, verbessert.

Weshalb dürfen private Helfer das Rotkreuzemblem nicht verwenden, wenn es doch möglicherweise Leben retten könnte?

Die Verwendung des Rotkreuzemblems ist im humanitären Völkerrecht genau festgelegt und streng geregelt. In einem bewaffneten Konflikt darf das Emblem ausschliesslich von medizinischem Personal und medizinischen Einrichtungen verwendet werden, einschliesslich dem ärztlichem Personal und medizinischen Fahrzeugen der Streitkräfte. Ebenfalls verwenden dürfen es Mitarbeitende, Fahrzeuge, und Einrichtungen des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds.

Wenn medizinisches Personal das Rote Kreuz oder den Roten Halbmond verwendet, dann dient das Emblem als Schutzzeichen für Verwundete und Kranke sowie derjenigen, die sich ihrer Behandlung widmen. Dieser Schutz ist im humanitären Völkerrecht geregelt. Die Symbole können auch auf eine Verbindung zu einer Rotkreuz- oder Rothalbmondorganisation hinweisen. Dadurch kann die Zugehörigkeit zu humanitären Organisationen festgestellt werden, die den Menschen bei Naturkatastrophen, in Kriegszeiten und in anderen Notfällen helfen, und zwar ausschliesslich gestützt auf das Kriterium des humanitären Bedarfs.

Der Missbrauch von Emblemen kann zahlreiche schwerwiegende Folgen haben, und zwar hauptsächlich für diejenigen, die in Notsituationen Hilfe benötigen. Dies insbesondere, da dadurch der sichere Zugang für militärische Rettungsdienste sowie Rotkreuz- oder Rothalbmondmitarbeitenden zu den notleidenden Menschen in einer humanitären Krise gefährdet werden kann.

Wenn unbefugte Personen oder Organisationen das Emblem an Fahrzeugen anbringen (auch an solchen, die humanitäre Arbeit leisten), gefährdet dies die Schutzfunktion dieser Symbole, da die kriegführenden Parteien und die Waffentragenden aufgrund des Missbrauchs das allgemeine Vertrauen in die Embleme, und das, wofür sie stehen, verlieren können. Deshalb fordern wir, dass die völkerrechtlichen Regeln, die die Embleme schützen und deren Verwendung regeln, von allen Parteien eingehalten werden.

Anschuldigungen über illegale Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Schutzzeichen:

● Biologische Waffen: Das IKRK entwickelt keine biologische Waffen.

● Abgelaufene Medikamente: Das IKRK hat keine abgelaufene Medikamente abgegeben.

● Organhandel: Das IKRK betreibt keinen Organhandel.

● Transport von Waffen: Die NATO nutzt keine Fahrzeuge des IKRK für den Transport von Waffen.

Schon früh nach der Eskalation des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine wurden diese und ähnliche Anschuldigungen über das IKRK und seine Arbeit in die Welt gesetzt.

Das IKRK hat mit keiner der vorgenannten Aktivitäten irgend etwas zu tun und verurteilt die Verbreitung solcher Gerüchte aufs Schärfste. Eine Beteiligung an solchen Aktivitäten würde gegen alle gesetzlichen Normen und gegen unsere Grundsätze verstossen. Unsere wichtigsten Prioritäten sind die schnelle Hilfe für die vom Konflikt betroffenen Menschen und die Arbeit zugunsten der Einhaltung des humanitären Völkerrechts.

Ist das Video, in dem Freiwillige des Ukrainischen Roten Kreuzes eine Person festhalten, echt?

Wir haben Kenntnis von diesem Video, das im Frühling 2022 in Lwiw aufgenommen wurde und zwei Freiwillige des Ukrainischen Roten Kreuzes zeigt, die eine Person festhalten.

Der Vorfall wurde von der Ukrainischen Rotkreuzgesellschaft untersucht. In der Folge wurden die beiden Freiwilligen von ihren Aufgabe entbunden.

Die Mitarbeitenden und die Freiwilligen der Ukrainischen Rotkreuzgesellschaft halten sich an die Grundsätze der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit und befolgen eine Nulltoleranzpolitik gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung. Ihre Priorität ist es, den vom internationalen bewaffneten Konflikt betroffenen Menschen Hilfe zu leisten.


1  Diese Zahlen entsprechen den Ausgaben des IKRK; sind jedoch noch nicht endgültig und noch nicht geprüft. Die genauen Zahlen für jede der betroffenen Delegationen werden in unserem Jahresbericht offengelegt. Dieser wird nach dem Jahresabschluss und dessen Prüfung veröffentlicht