Demokratische Republik Kongo: Sexuelle Gewalt: Wenn das Schweigen langsam tötet

Der Osten der Demokratischen Republik Kongo ist seit 30 Jahren von bewaffneten Konflikten betroffen. In den letzten Jahren wurden in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu sowie Ituri Tausende Opfer sexueller Gewalt registriert.
Unter den in den Betreuungseinrichtungen registrierten Überlebenden sind viele, die ihren Angehörigen nichts davon erzählt haben, was ihnen widerfahren ist. Aus Angst davor, stigmatisiert zu werden, flüchten sie sich in die Stille, leiden aber weiterhin psychisch und psychologisch. Andere hingegen schaffen es, Trost in den von der Kongolesischen Rotkreuzgesellschaft eingerichteten Häusern zu finden, in denen man den Betroffenen zuhört.
In vielen von Konflikten betroffenen Gebieten in Ituri sowie Süd- und Nord-Kivu haben Hunderte Zivilisten sexuelle Gewalt überlebt, darunter insbesondere Frauen und Mädchen. Aufgrund der Stigmatisierung der Betroffenen benötigen diese dringend psychologische Unterstützung, um mit den Folgen leben zu können.
Für die 20-jährige Lisa* sind die von der Kongolesischen Rotkreuzgesellschaft eingerichteten „Häuser des Zuhörens“ in Goma Zufluchtsorte für die Überlebenden sexueller Gewalt, in denen sie Unterstützung und ein Dach über dem Kopf bekommen. Sie ist Mutter eines Kindes, das bei einer Gruppenvergewaltigung gezeugt wurde, und sagt, dass sie „aufgrund des Roten Kreuzes noch am Leben sei“.
Die „Häuser des Zuhörens“, in denen die Betroffenen von Gewalt aller Art, auch sexueller Gewalt, Hilfe erhalten, werden vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) unterstützt. Das dort arbeitende psychosoziale Personal hört den Opfern in einem vertraulichen Rahmen zu und bietet ihnen eine angemessene psychologische Betreuung. In einigen Fällen verweisen die Mitarbeitenden die Überlebenden an entsprechende Gesundheitseinrichtungen, wo sie kostenlos medizinisch versorgt werden.
Oft haben Opfer sexueller Gewalt Angst, über das Erlebte zu berichten, weil sie die Reaktion und den Blick anderer Menschen fürchten. Die Überlebenden verbleiben in ihrer Isolation und wissen nicht, was sie tun oder wie sie ihr Leben wieder in die Hand nehmen sollen. Ganze Familien sind aufgrund der Stigmatisierung zerrissen, Gemeinschaften ziehen nicht mehr an einem Strang und das Trauma der Opfer wird verschlimmert.
„Sie haben mich aus dem Haus vertrieben“, erzählt Lisa. „Ich habe mich so geschämt, meine Geschichte zu erzählen. Alle haben sich über mich lustig gemacht“, erinnert sie sich, als ihre Familie und die Menschen in ihrem Dorf erfuhren, dass sie mit einem Kind schwanger war, das aus einer Gruppenvergewaltigung stammte.

Sexuelle Gewalt ist nie die Schuld des Opfers, aber die Stigmatisierung ist fast so zerstörerisch wie die Tat selbst. Negative Einstellungen gegenüber den Opfern können dazu führen, dass diese sich zunehmend schuldig fühlen. Dies kann weitreichende langfristige Folgen haben.
Die 26-jährige Aliwa* ist mit ihren Kindern aus der rund 60 km von Goma entfernten Stadt Masisi geflohen, als der Krieg vor einigen Monaten in der Region aufflammte. Nach einer anstrengenden Reise fanden sie Zuflucht in einem Lager für Binnenvertriebene etwas ausserhalb von Goma. In dieser Zeit wurde sie von einer Gruppe nicht identifizierter Männer vergewaltigt.
„Wenn mein Mann es herausfindet, kann er mich einfach verlassen. Ich dachte, sobald meine Familie oder meine Nachbarn es herausfinden, würden sie mich auslachen. Deshalb habe ich nichts gesagt. Ich fühlte mich sehr einsam und hatte keine Freundinnen mehr“, erzählt Aliwa.
Die junge Frau erhielt schliesslich Unterstützung, als ein Team des Roten Kreuzes die Vertriebenen besuchte, um bei den Opfern sexueller Gewalt ein Bewusstsein zu schaffen, dass es richtig ist, sich Hilfe zu suchen.
Psychosoziale Unterstützung und „Häuser des Zuhörens“, um das Schweigen zu brechen
Nach ihrer mit Unterstützung des IKRK erfolgten Behandlung in einem Spital in Goma wurde Aliwa in ein „Haus des Zuhörens“ des Roten Kreuzes überwiesen, in dem man sich ihrer psychischen Gesundheit annahm.
Die physischen und psychologischen Folgen sexueller Gewalt sind für die Betroffenen gravierend und erstrecken sich auf ganze Familien und Gemeinschaften. Wenn diese Taten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen werden, stellen sie schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts (HVR) dar und gelten als Kriegsverbrechen. Alle Konfliktparteien sind verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, um solche Handlungen zu verhindern und die Täter im Falle von Vergehen zu bestrafen. Das HVR sieht auch vor, dass Verletzte und Kranke, einschliesslich der Überlebenden sexueller Gewalt, die medizinisch versorgt werden müssen, so weit und so schnell wie möglich die entsprechende Versorgung erhalten, die ihr Zustand erfordert.
Um diese Taten im Kontext bewaffneter Konflikte zu verhindern, sensibilisiert das IKRK insbesondere die verschiedenen Konfliktparteien für das humanitäre Völkerrecht (HVR) und erinnert dabei systematisch an die Schwere von Verbrechen wie Vergewaltigungen. Zudem führt es einen kontinuierlichen bilateralen Dialog mit allen Konfliktparteien, damit diese Massnahmen ergreifen, derartige Taten jetzt und in Zukunft zu verhindern. Es erinnert auch die verschiedenen Kommandanten an ihre diesbezügliche Verantwortung.
In Nord-Kivu sind die humanitären Bedürfnisse bereits enorm. Dort steht die Versorgung von Opfern sexueller Gewalt vor zahlreichen Herausforderungen, insbesondere aufgrund der anhaltenden Unsicherheit infolge des bewaffneten Konflikts und der Kürzung von Mitteln für zahlreiche humanitäre Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind. Den Weg in ein „Haus des Zuhörens“ zu finden, ist für viele Überlebende überaus heilsam.
Die 39-jährige Zuri* ist eine weitere Überlebende und Mutter von sieben Kindern. Sie ermutigt andere Opfer, sich zu öffnen und Unterstützung zu suchen, um die Wunden zu heilen.
„Es geht mir mittlerweile ziemlich gut. Früher wog ich 90 kg, aber seit der Vergewaltigung habe ich 50 kg verloren. Momentan wiegt ich wieder 75 kg. Die Betreuung durch das Rote Kreuz hat mir psychologisch geholfen. Ich denke nicht mehr wirklich daran“, sagt sie. Zuri stammt aus dem rund 25 km von Goma entfernten Sake. In einem Lager für Binnenvertriebene am Stadtrand von Goma wurde sie von fünf bewaffneten Männern vergewaltigt.
„Sie haben sich um mich gekümmert und ich bin sehr dankbar, wie ich behandelt wurde. Solche Orte sind sehr wichtig. Alle, die Ähnliches erlebt haben, sollten zu diesem Rotkreuzzentrum kommen, um sich Hilfe zu holen.“
Das IKRK bietet in Zusammenarbeit mit der Kongolesischen Rotkreuzgesellschaft dringend benötigte und lebenswichtige Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt in den von bewaffneten Konflikten betroffenen Gebieten.
Zwischen Januar und Juni 2025 unterstützte das IKRK fünf „Häuser des Zuhörens“ in Nord-Kivu und zwei weitere in Süd-Kivu. Dort werden Opfer sexueller Gewalt betreut und ihre Widerstandsfähigkeit im Angesicht der Stigmatisierung gestärkt. Darüber hinaus begleiten Expertenteams, die sich auf wirtschaftliche Unterstützung spezialisiert haben, als besonders anfällig geltende Opfer bei der Wiederaufnahme von Tätigkeiten zur Einkommensgenerierung, um vor allem ihre gesellschaftliche Wiedereingliederung zu fördern. Das IKRK ruft auch alle Konfliktparteien und alle massgeblichen Akteure auf, ihre Anstrengungen zu verstärken und konkrete Massnahmen zu ergreifen, um diese schwerwiegenden Verletzungen des HVR zu verhindern.
Von Januar bis Juni 2025 erhielten fast 22 800 Opfer von Gewalt, einschliesslich sexueller Gewalt, psychologische und psychosoziale Unterstützung in den vom IKRK unterstützten „Häusern des Zuhörens“ und anderen Einrichtungen in Ituri sowie in Nord- und Süd-Kivu.
*Die Namen der Opfer wurden aus Gründen der Vertraulichkeit und des Persönlichkeitsschutzes geändert.