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Mali: Nahrungsmittelunsicherheit in Ménaka

Paysage d'une terre asséchée.

In Ménaka und in der weiteren Region von Liptako-Gourma ist der landwirtschaftliche Zyklus infolge der zunehmenden Überschwemmungen und der extremen Dürreperioden gestört. Gleichzeitig verhindert der bewaffnete Konflikt in der Region den freien Verkehr von Nahrungsmitteln, Saatgut und Vieh, was zu einer erheblichen Beeinträchtigung des landwirtschaftlichen Sektors führt. Als Folge daraus werden Nahrungsmittel knapp und die Preise steigen ins Unermessliche, sodass die Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist.

Die Sonne sticht vom Himmel und die Hitze ist schlicht erdrückend. Über 700 Personen entfernen mit Hacken und Schaufeln Dutzende Kubikmeter Erde vom Ufer eines kleinen Sees, der auszutrocknen droht. Die Arbeit ist anstrengend, aber für das Überleben der Menschen in Ménaka immens wichtig.

Risse in der Erde zeigen, wo früher einmal Wasser geflossen ist. Niederschläge sind mittlerweile so selten und unregelmässig, dass ausser einigen Pfützen fast nichts mehr von dem kleinen See übriggeblieben ist. Dromedare, Kühe und Ziegen stillen unter den wachsamen Augen junger Mädchen, die ihre Kanister mit Wasser füllen wollen, ihren Durst.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat ein lokales Projekt lanciert, um 4 000 Kubikmeter Sand und Lehm vom Boden des Sees zu entfernen, damit seine Speicherkapazität vergrössert werden kann. Mit Abschluss des Projekts sollte der See soviel Wasser speichern können, dass die Menschen in der Lage sind, sich rund drei bis vier Monate zu versorgen. Zudem wird das Risiko von Überschwemmungen verringert, wenn der Wasserspiegel steigt.

Les habitants de la ville, résidents locaux et déplacés, s’unissent pour le désensablement de la mare.
Die Einwohner der Stadt, Ortsansässige und Vertriebene, setzen sich gemeinsam für die Entschlammung des Teichs ein.
Deux petites filles essaient de trouver un peu d'eau dans la mare presque tarie.
Im Januar ist der See bis auf ein paar Pfützen fast völlig ausgetrocknet. Obwohl es sich nicht um Trinkwasser handelt, bleibt die Ärmsten der Armen keine Wahl, als das Wasser zu trinken.

Rund um den See befinden sich zahlreiche private Obst- und Gemüsegärten. In einem entfernt Bintou das Unkraut, das zwischen den jungen Pflanzen spriesst. Die fünffache Mutter baut seit vielen Jahren Obst und Gemüse an, das sie auch verkauft. Wie 300 weitere Familien in Ménaka profitiert sie von der Unterstützung des IKRK.

„Ich baue Tomaten, Kohl, Paprika, Rüben, Kartoffeln, Wasser- und andere Melonen sowie vieles andere an“, sagt sie mit Stolz in der Stimme. „Mit einem Teil dessen, was ich anpflanze, kann ich meinen Kindern eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung bieten. Ein weiterer Teil ist für das Restaurant, das ich ausserdem betreibe. Den Rest verkaufe ich auf dem Markt. Und ich kann sogar meine Tiere damit füttern.“

Versandung des Sees infolge von Stürmen

Der See ist infolge der sich ausdehnenden Wüste und der über die Region hinwegfegenden Stürme, die enorme Mengen Sand mit sich bringen, gefährdet. Seine Speicherkapazität ist im Laufe der Zeit immer weiter zurückgegangen. Sobald im Winter der erste Regen fällt, läuft der See über und überflutet die benachbarten Gärten und Häuser. Aber schon im Dezember fängt er wieder an, auszutrocknen.

Die Vorstellung, dass der See komplett austrocknen könnte, macht den Bewohnern der Stadt Angst. Selbst wenn es sich nicht um Trinkwasser handelt, haben manche Familien keine Wahl und trinken es doch. In diesen strengen klimatischen Bedingungen ist Wasser entscheidend für Viehzucht und Fischerei, die Herstellung von Ziegeln und die Bewässerung der Obst- und Gemüsegärten.

„Unser Garten bedeutet uns alles“, erklärt Bintou. „Wenn es kein Wasser mehr gibt, müssen wir Brunnen graben und hoffen, dass sie nicht allzu schnell versiegen. Ausserdem müssen wir Pumpen kaufen, um das Wasser zu schöpfen.“

Es sind viele Faktoren, die das Leben auf dem Land schwer machen, darunter der Klimawandel. „Wasser wird offensichtlich immer knapper und der See trocknet noch schneller aus“, sagt Djibrilla Maiga, Agrarökonom des IKRK. „Und dann sind da noch die streunenden Tiere, die die Plantagen verwüsten, und die mangelnden Kenntnisse der Bauern, wenn es um Nahrungsmittelproduktion und Konservierungsmethoden geht.“

Conflit et insécurité alimentaire

Infolge der fehlenden Sicherheit ist es für die Menschen nicht leicht, sich fortzubewegen und Waren zu transportieren. Es wird zunehmend schwerer, die Stadt Gao zu erreichen, wo die Bauern Zugang zu qualitativ hochwertigem Saatgut und Düngemitteln haben. Obschon die reicheren Bauern sich die höheren Preise für die benötigten Produkte leisten können, ist dies für viele andere unerschwinglich.

Die Gewalt macht es zudem unmöglich, die Handelsrouten zu nutzen, die in die benachbarten Regionen und Länder führen. Das Ergebnis sind sinkende Einkommen für die Menschen.

„Wir unterstützen die Bauern in Ménaka seit 2016“, so Djibrilla. „Sie haben uns gebeten, zu prüfen, welche Art von Unterstützung wir ihnen geben können. So haben wir uns dann für die Verteilung von hochwertigen Saatgut, landwirtschaftlichem Gerät, Zäunen und Pumpen entschieden. Die Situation ist immer noch schwierig, da die Produktion im Allgemeinen rückläufig ist und die Kosten für Nahrungsmittel in die Höhe schiessen.“

Manche Produkte sind zwar nach wie vor verfügbar, aber für die meisten Menschen viel zu teuer. Der Preis für 100 kg Hirse ist von 45 auf 76 Euro gestiegen, derjenige für einen Sack Reis von 23 auf fast 50 Euro.

Das IKRK arbeitet mit dem agronomischen Forschungszentrum in Mopti und dem nationalen Saatgutdienst zusammen, um die Nahrungsmittelsicherheit mit Projekten zur Saatgutvermehrung und zur Verteilung von Saatgut und Geräten an die Bauern zu verbessern. Es arbeitet auch mit den nationalen und lokalen Landwirtschaftsbehörden zusammen, um Saatgut, Geräte, Ausrüstung und/oder Düngemittel für Familien in den vom bewaffneten Konflikt betroffenen Gegenden bereitzustellen – der Konflikt ist ein weiterer Faktor, der den Alltag der Menschen in Ménaka und der übrigen Region beeinträchtigt.

Fin juillet, la mare est remplie à ras bord.  Quelques pluies supplémentaires suffiront à inonder les maisons et les jardins situés à proximité.
Ende Juli ist der See fast übergelaufen. Etwas mehr Niederschlag reicht aus, um die umliegenden Häuser und Gärten zu überfluten.

Der bewaffnete Konflikt verursacht zusammen mit dem Klimawandel erhebliche humanitäre Folgen bis hin zu Nahrungsmittelunsicherheit bei den besonders anfälligen Menschen. Vor allem Kinder leiden unter der Situation.

Farida* aide sa maman à préparer les repas. La quantité de nourriture disponible ne suffit pas à nourrir toute la famille.
Farida* hilft ihrer Mutter bei der Zubereitung einer Mahlzeit. Sie haben nicht genug zu Essen, um die ganze Familie zu ernähren.

Viele Fälle von Mangelernährung bleiben unentdeckt

In der Region von Ménaka sind von den rund 200 000 Bewohnern fast 58 000 Menschen Vertriebene. Für die lokale Bevölkerung und die Vertriebenen in Ménaka wird es immer schwieriger, Zugang zu Nahrungsmitteln zu bekommen. Der Bedarf an Getreide, Wurzelgemüse, Ölsaaten, Milch, Eiern, Fleisch und Fisch ist hoch, aber der Markt in Ménaka hat Mühe, die Versorgung sicherzustellen.

„Viele Familien ernähren sich nur noch von zwei statt drei Mahlzeiten am Tag; die Ärmsten der Armen sogar nur noch von einer“, erklärt Djibrilla. „Sie sind abhängig von Krediten oder der Hilfe von Nachbarn oder humanitären Helfern.“

Die Kinder von Ménaka leiden. Die integrierte Klassifikation der verschiedenen Phasen von Nahrungsmittelsicherheit verweist darauf, dass 25 344 Kinder im Alter zwischen 6 und 59 Monaten erheblich mangelernährt sind. 

Laut Hamidou Dicko, verantwortlich für ein vom IKRK unterstütztes Zentrum für gesunde Ernährung, wurden in den Monaten Juni/Juli 2024 734 Kinder registriert, die an schwerer Mangelernährung leiden; 44 von ihnen hatten weitere gesundheitliche Probleme. Immer mehr schwangere oder stillende Frauen sind ebenfalls mangelernährt.

„Die für die Wiederherstellung der Ernährungssicherheit zuständige Abteilung arbeitet mit den Menschen vor Ort zusammen, um denjenigen, die an schwerer Mangelernährung leiden, zu helfen“, so Hamidou. „Es werden zudem Kampagnen für gute Ernährungsgewohnheiten für Kinder durchgeführt und Nahrungsergänzungsmittel verteilt. Gleichzeitig wird der Gesundheitszustand eng überwacht. Aber aufgrund fehlender Tests und einem fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung bleiben viele Fälle von Mangelernährung unentdeckt.“

Dans son jardin, Alhousseyni vérifie la croissance de ses tomates.
Alhousseyni prüft die Tomaten in seinem Garten.
Bintou découpe les légumes de son jardin.
Es ist Zeit, das Abendessen vorzubereiten. Bintou hackt das Gemüse aus ihrem Garten.

Prognose der Nahrungsmittelproduktion

  • Das Erntejahr 2023/24 war geprägt von wenig bis geringem, unregelmässigem Niederschlag. Die Vegetationsperiode begann in den meisten Teilen des Landes spät, vor allem im Zentrum und im Norden, wo es weniger geregnet hat als im Süden. 
  • Gemäss dem Frühwarnsystem gegen den Hunger hatten die Menschen in den vom Konflikt betroffenen Gegenden, vor allem in Ménaka, in der Zeit zwischen den Ernten (Mai-September) aufgrund der hohen Lebensmittelpreise und eines generellen Einkommensrückgangs weiterhin kaum Zugang zu Grundnahrungsmitteln.
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  • Das Erntejahr 2024/25 läuft bereits. Das nationale Direktorat für Landwirtschaft von Mali schätzt, dass die gesamte Getreideproduktion knapp über 11 Millionen Tonnen ausmachen wird, ein Anstieg von über 10 % gegenüber 2023.
  • Das IKRK verteilte insgesamt 50 Tonnen Reis und 40 Tonnen zertifiziertes Saatgut (Hirse) an 6 000 Kleinproduzenten (insgesamt 36 000 Personen), die die Haushalte in den Regionen Mopti, Gao und Timbuktu mit Nahrungsmitteln versorgen. In der Region Ménaka stellt das IKRK acht Gärtnereigruppen hochwertiges Saatgut und Zäune bereit, um ihre Feldfrüchte bis zum Ende des Jahres vor Tieren zu schützen.
  • Für das Erntejahr 2025/26 sind dieselben Massnahmen vorgesehen, wobei die Anzahl der unterstützten Personen und Gruppen leicht steigen wird.