IKRK-Stellungnahme 2024 – Wie wird der Begriff „bewaffneter Konflikt“ im humanitären Völkerrecht definiert?
Die rechtliche Einordnung bewaffneter Konflikte – die Beurteilung, ob es sich bei einer Gewaltsituation um einen internationalen bewaffneten Konflikt oder einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gemäss humanitärem Völkerrecht (HVR) handelt – ist entscheidend, um zu verstehen, welche HVR-Regeln im spezifischen Kontext gelten. Das IKRK nimmt eine unabhängige Beurteilung der Fakten vor und ordnet Situationen aus verschiedenen Gründen ein – darunter auch seine Rolle bei der Förderung des in bewaffneten Konflikten anwendbaren HVR sowie seine Einsätze.
Das IKRK veröffentlichte 2008 eine Stellungnahme zu diesem Thema, in der dargelegt wird, wie der Begriff des bewaffneten Konflikts in Rechtsprechung und Lehre seit der Erarbeitung der Genfer Abkommen ausgelegt wird.
Die Stellungnahme 2024 erklärt den Ansatz des IKRK bei der rechtlichen Einordnung zeitgenössischer bewaffneter Konflikte. Sie macht die Vorgehensweise des IKRK bei der Einordnung für alle, die sich für das Thema interessieren, zugänglich und transparent.
Seit 2008 beobachtet das IKRK verschiedene Veränderungen bei der Art, wie bewaffnete Akteure an bewaffneten Konflikten teilnehmen. Diese Veränderungen und wie sich das Recht daran anpasst, werden in der Stellungnahme 2024 dargelegt (vgl. auch die neuen Kommentare zu den Genfer Abkommen und die Berichte zum HVR und den Herausforderungen zeitgenössischer bewaffneter Konflikte (Englisch).
In der Stellungnahme wird die Vorgehensweise bei der Beantwortung mehrerer rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Einordnung dargelegt. Dazu gehören die Fragen, wann ein internationaler und wann ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt vorliegt und wann ein solcher als beendet betrachtet werden kann; die Einordnung eines internationalen bewaffneten Stellvertreterkonfliks; wie Konfliktparteien mit multinationalen Kräften identifiziert werden; die Einordnung von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten mit Verbündeten; der unterstützungsbasierte Ansatz; die Eingliederung einer bewaffneten Gruppierung in eine staatliche Partei und die geografische Reichweite des HVR bei nicht-internationalen bewaffneten Konflikten.
Konflikttrends 2024
Das IKRK ordnet bewaffnete Konflikte einzig auf der Grundlage von Fakten und im HVR begründeten rechtlichen Kriterien ein. Die sich dabei abzeichnenden Trends sind für das IKRK alarmierend. Weltweit gibt es über 120 bewaffnete Konflikte, an denen über 60 Staaten und 120 nicht staatliche bewaffnete Gruppierungen beteiligt sind. Das IKRK stellt fest, dass die Anzahl der bewaffneten Konflikte seit den 1990er-Jahren konstant gestiegen ist. Besorgniserregend ist, dass sich die Anzahl der nicht-internationalen bewaffneten Konflikte seit dem Jahr 2000 verdreifacht hat (von 30 auf rund 100). Gleichzeitig steigt die Anzahl internationaler bewaffneter Konflikte. Dieser Anstieg ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen (mehrere werden in dieser Stellungnahme dargelegt): Aus bewaffneten Gruppierungen entstehen zuweilen Splittergruppen, die als neue, unabhängige Gruppierungen auftreten; aus gemeinsamen Operationen entstehen Konflikte mit Verbündeten und konfliktbetroffene Orte werden zu fruchtbarem Boden für die weitere Ausbreitung bewaffneter Konflikte. Seine grössten Einsätze leistet das IKRK in von bewaffneten Konflikten betroffenen Ländern – viele von ihnen dauern seit Jahrzehnten an.
Die Publikation ist über den IKRK E-Shop ebenfalls auf Französisch und Spanisch verfügbar.