Der globale Konsens, wonach Antipersonenminen als ein Zeichen der Unmenschlichkeit gelten, beginnt aufzuweichen. Nach jahrzehntelangen Fortschritten ist nun ein gefährlicher Trend zu beobachten: Staaten, die sich einst entschieden für Abrüstung eingesetzt haben, ziehen einen Rückzug aus dem Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen in Erwägung. Dabei handelt es sich nicht nur um einen rechtlichen Rückzug auf dem Papier. Es geht darum, dass unzählige Menschenleben gefährdet werden und der jahrzehntelange, hart erkämpfte humanitäre Fortschritt umgekehrt wird.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) begann in den späten 1980er-Jahren, vor den Folgen von Antipersonenminen zu warnen, als die medizinischen Teams des IKRK immer mehr Zivilisten behandeln mussten, die durch diese entsetzlichen Waffen verletzt wurden. Seinerzeit bezeichnete das IKRK diese Waffen als „weltweite Epidemie“: Schätzungen zufolge wurden jedes Jahr rund 24 000 Menschen, vor allem Zivilisten, durch Landminen getötet oder verwundet.
Die Annahme des Übereinkommens über das Verbot von Antipersonenminen im Jahr 1997 bildete einen Wendepunkt. Stand heute sind 165 Staaten dem Übereinkommen beigetreten. Die Ergebnisse sind unbestritten: Über 55 Millionen gelagerte Landminen wurden zerstört, weite Landstriche von Minen geräumt und die Produktion sowie die Lieferung dieser tödlichen Waffen deutlich verringert. Diese Bemühungen führten seit dem Höhepunkt in den späten 1990er-Jahren zu einem Rückgang bei der Anzahl an Todesopfern um mehr als 75 %.
Der Schwung rund um das Übereinkommen trug auch dazu bei, die Aufmerksamkeit auf die Überlebenden von Landminen und die entsetzlichen Folgen dieser unterschiedslos eingesetzten Waffen zu richten. Mehr als 80 % der Opfer sind Zivilisten. Überlebende leiden oftmals ein Leben lang an Behinderungen und benötigen Hilfen wie beispielsweise Prothesen. Viele Opfer sind Kinder.
So waren letztes Jahr fast 50 % der Patienten, die in eines der beiden vom IKRK unterstützten physischen Rehabilitationszentren in Kambodscha kamen, Überlebende von Landminen – mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Kämpfe. In Afghanistan lässt sich ein ähnliches Muster erkennen: 2024 versorgten die Teams des IKRK über 7 000 Minenopfer und stellten ihnen Prothesen, Physiotherapie und andere Behandlungen bereit.
Es gibt keine „sicheren“ Minen. Selbst „nicht persistente“ Minen, die sich selbst deaktivieren, stellen eine tödliche Gefahr dar, solange sie aktiv sind, bei der Selbstzerstörung versagen und eines erheblichen Aufwands bei der Räumung bedürfen. Nicht persistente Minen gab es schon vor der Annahme des Übereinkommens und sie waren ausdrücklich Teil des Verbots. Keine Mine kann zwischen einem Soldaten und einem Kind unterscheiden.
Versprechen über kostengünstige, rasche Räumungen sind ebenfalls irreführend. Selbst 30 Jahre nach dem Ende des Konflikts in Bosnien kämpft das Land mit den Folgen des Einsatzes von Minen. Trotz der Möglichkeiten, verminte Areale zu identifizieren, kann die vollständige Räumung Jahrzehnte dauern.
Das Übereinkommen gilt als einer der erfolgreichsten Abrüstungsverträge, die je verhandelt wurden. Eine Schwächung oder Aufgabe gefährdet nicht nur Menschenleben, sondern untergräbt auch die Integrität des humanitären Völkerrechts.
Diese Woche kommen die Vertragsstaaten des Übereinkommens in Genf zusammen. Es ist ein wichtiger Augenblick, sich diesen beunruhigenden Trends entgegenzustellen, die Verpflichtung zum Übereinkommen zu erneuern und sich entschieden gegen den erneuten Einsatz von Waffen auszusprechen, die so viel unterschiedsloses Leid verursacht haben.
Es ist nicht der Moment, nachzugeben. Es ist der Moment, unsere kollektive Verpflichtung zum Schutz der Zivilbevölkerung erneut zu unterstreichen und die Grundsätze der Menschlichkeit zu bewahren.