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Afghanistan: Stärkung landwirtschaftlicher Gemeinschaften für eine nachhaltige Existenzgrundlage

A village in Dehbala, Nangarhar province

Afghanistan leidet unter einem 40 Jahre andauernden bewaffneten Konflikt und einer grossen Anfälligkeit für Naturkatastrophen und den negativen Folgen des Klimawandels. All das hat zu massiven wirtschaftlichen Problemen und einer erheblichen Beeinträchtigung des landwirtschaftlichen Sektors geführt, der für knapp 80 % der Menschen in Afghanistan die primäre Existenzgrundlage bildet.

Menschen, die von der Landwirtschaft abhängig sind, gehören zu den grössten Leidtragenden extremer Klimaereignisse, wie Dürren, ausserordentlichen Regenfällen und Überschwemmungen, die zu Ernteausfällen, verringerten Erträgen und laut den Vorhersagen der integrierte Klassifikation der verschiedenen Phasen von Nahrungsmittelsicherheit für das Jahr 2025 einer sich ausweitenden Nahrungsmittelunsicherheit für über 14 Millionen Menschen führen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) unterstützt die afghanischen Landwirte mit zahlreichen zielgerichteten Initiativen dabei, sich von den entsprechenden Klimaereignissen zu erholen.

 

„Landwirte und Gemeinschaften, die auf landwirtschaftliche Tätigkeiten angewiesen sind, stehen vor einer schwierigen Situation, denn die Probleme werden die bereits heikle Lage mit Blick auf die Nahrungsmittelunsicherheit weiter verschärfen“,

erklärt Katharina Ritz, IKRK-Delegationsleiterin in Kabul. 

„Jeder Bauer ringt mit erheblichen Schwierigkeiten und dies kann sich auf die gesamte Gemeinschaft auswirken und dramatische Konsequenzen haben. Landwirtschaftliche Tragfähigkeit und das Wohlbefinden der Menschen sind eng miteinander verbunden. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, diese Probleme zu bewältigen, um eine weitere Verschlechterung der Nahrungsmittelkrise zu verhindern“, so Ritz weiter.

Finanzielle Unterstützung für Landwirte

To help farmers overcome agriculture-related hardships, 1,229 households in the Paryan and Shutul districts of Panjshir Province received cash grants for land preparation, agricultural inputs and fodder.
IKRK

Um einen Beitrag zur Überwindung der Probleme in der Landwirtschaft zu leisten, haben 1 229 Haushalte in den Distrikten Paryan und Shutul in der Provinz Pandschschir Bargeldzuweisungen erhalten, mit denen sie das Land bearbeiten sowie landwirtschaftliches Material und Tierfutter erwerben können.

2024 hat das IKRK Bargeldzuweisungen an über 50 000 afghanische Landwirte bereitgestellt, um grundlegende Dinge wie Saatgut, Düngemittel und Werkzeug zur Erhöhung der Produktivität zu kaufen. Im Distrikt Shutul kamen rund 700 Landwirte in den Genuss dieser Unterstützung.

„Unsere Familie hatte finanzielle Probleme, bevor wir diese Unterstützung bekommen haben. Dieses Geld hat das Leben vieler Menschen in meinem Dorf verändert“,

sagt der 27-jährige Landwirt Aziz Agha, der seine sechsköpfige Familie in Shutul ernähren muss.

Habibullah is one of 1,094 farmers from Dehbala district of Nangarhar Province who received ICRC’s financial assistance
IKRK

Foto: Habibullah ist einer von 1 094 Landwirten im Distrikt Dehbala in der Provinz Nangarhar, der vom IKRK finanziell unterstützt wurde.

„Das Leben meiner Familie hängt von der Bewirtschaftung dieses Landes ab. Unser Einkommen beträgt durchschnittlich rund 60 AFN pro Tag. Das Ackerland in unserem Dorf hat sich infolge des viele Jahre andauernden Kriegs verschlechtert und erwirtschaftet nicht mehr so viel wie früher. Mithilfe des IKRK habe ich Saatgut gekauft und das Land instandgesetzt, das wegen der vielen Bomben voller Krater war.“

Der jahrelange Konflikt hat zu einer erheblichen Zerstörung in Dehbala geführt, landwirtschaftliche Tätigkeiten beeinträchtigt und den Zugang zu grundlegenden landwirtschaftlichen Gütern behindert. Zusätzliche wirtschaftliche Probleme wie fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten und ein schwieriger Zugang zu den Märkten erschweren den Landwirten die Bewirtschaftung ihres Landes. Mit der Unterstützung des IKRK haben diese Menschen nun die notwendigen Ressourcen an der Hand, um ihre Farmen wieder aufzubauen, sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen und ihre Existenzgrundlagen zu sichern.

Reparatur der Bewässerungssysteme zur Verbesserung des Zugangs zu Wasser für die Menschen

Infolge des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts wurden die Bewässerungskanäle beschädigt, sodass die Landwirte ihren Anbau kaum noch erhalten konnten. Deshalb hat das IKRK zusammen mit den Menschen vor Ort für die Wiederherstellung wichtiger Wasserquellen und eine verlässliche Bewässerung des Ackerlands gesorgt.

2024 wurden im Rahmen von 16 kommunalen Initiativen über 27 000 Personen beschäftigt, um in elf Provinzen die Bewässerungssysteme zu reparieren, Dämme zum Schutz gegen Überschwemmungen zu errichten und Kanäle zu reinigen. So konnten nicht nur zahlreiche Menschen von einer kurzfristigen Beschäftigung profitieren, sondern es kamen auch Tausende Menschen in den Genuss einer besseren Wasserversorgung.

More than 240 community workers participated in cleaning an irrigation canal, benefiting 710 households in Surkhshal village, Paryan district of Panjshir Province.
ICRC

Foto: Über 240 kommunale Mitarbeitende beteiligten sich an der Reinigung eines Bewässerungskanals für 710 Haushalte im Dorf Surkhshal im Distrikt Paryan in der Provinz Pandschschir.

„Wir hatten finanzielle Probleme, vor allem in den harten Wintermonaten. Im Rahmen des Projekts des IKRK konnten wir nicht nur ein Einkommen erwirtschaften, sondern auch die wichtigen Wasserquellen für unser Ackerland wiederherstellen. Vorher wurden das Wasser verschwendet, weil die Systeme so schlecht verwaltet wurden. Jetzt funktioniert der Kanal wieder einwandfrei und ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserer Weizen- und Kartoffelernte dieses Jahr ein gutes Einkommen erzielen werden“,

erklärt Haji Shah Wali, ein Bewohner des Dorfes Surkhshal.

An irrigation canal was repaired and upgraded for the Gerikhil community in Nangarhar Province. The community used to struggle with seasonal floods, economic instability and food shortages, which was worsened by the effects of decades of armed conflict.
IKRK

Foto: Ein reparierter und verbesserter Bewässerungskanal für die Menschen in Gerikhil in der Provinz Nangarhar. Das Dorf kämpfte regelmässig mit saisonalen Überschwemmungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und Nahrungsmittelknappheit. All das wurde infolge des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts nur schlimmer.

Zur Unterstützung der Menschen in Gerikhil hat das IKRK zusammen mit der Afghanischen Rothalbmondgesellschaft ein Projekt zur Reinigung des Kanals auf den Weg gebracht. Im Rahmen dieser Initiative erhielten 175 Menschen die Gelegenheit für eine Beschäftigung und 1 400 Landwirte kamen in den Genuss verbesserter Bewässerungssysteme.

Die Instandsetzung des Kanals führt auch zu weiteren positiven wirtschaftlichen Effekten, denn auch die benachbarten Dörfer und der Hauptmarkt im Distrikt Pachiragam profitieren von diesem Projekt. Durch die bessere Versorgung mit Wasser können die Bauern ihr Land effizienter bewirtschaften, eine bessere Ernte einfahren und den Verkauf ihrer Produkte lokal und regional ausweiten.

Förderung nachhaltiger Landwirtschaft

Zur Unterstützung nachhaltiger Praktiken und zur Verringerung von Ernteverlusten nach der Ernte hat das IKRK Schulungen für die Landwirte organisiert, bei denen bewährte Vorgehensweisen im Umgang mit solchen Ernteverlusten im Mittelpunkt stehen, damit die Landwirte Getreideverluste minimieren und die Lagerhaltung verbessern können. 2024 wurden 200 Landwirte aus der Provinz Kapisa für solche Schulungen ausgewählt. Zudem wurden Metallsilos zur Lagerung des Getreides an sie ausgegeben. Darüber hinaus wurden 80 Landwirte im Distrikt Paryan in der Provinz Pandschschir auf wirkungsvolle landwirtschaftliche Praktiken geschult und für Klima- und Umweltrisiken sensibilisiert. So wurden sie auch in die Lage versetzt, ihr Wissen mit anderen Bauern zu teilen.

Zu den Teilnehmenden gehörte der 48-jährige Abdul Mobin aus dem Distrikt Kohistan Hesa Awal in der Provinz Kapisa. Er sagt: „Mit fehlte das Wissen über zahlreiche wichtige landwirtschaftliche Techniken, vor allem im Zusammenhang mit Ernteverlusten nach der Ernte. Im Rahmen der fünftägigen Schulung habe ich wichtige Dinge gelernt, die ich jetzt auf meinem Bauernhof umsetzen kann.“

Farmers from Kohistan Hesa Awal and Hesa Do districts of Kapisa Province receiving agricultural tools.
IKRK

Foto: Landwirte aus den Distrikten Kohistan Hesa Awal und Hesa Do in der Provinz Kapisa erhalten landwirtschaftliche Geräte.

Abdul Mobin erhielt auch zwei Metallsilos und landwirtschaftliche Geräte zur Verbesserung der Effizienz seiner Arbeit. „Diese Silos sind sehr nützlich, um meine Ernte zu lagern, und die Geräte erleichtern mir die Arbeit während und nach der Ernte. Vor diesem Projekt lagen die Verluste nach der Ernte bei 40 %, aber jetzt sind sie bei Null“, fügt er hinzu.

Janeth Idolog leitet das IKRK-Programm für wirtschaftliche Sicherheit in Afghanistan, und sagt: „Die Stärkung der Landwirte durch die Vermittlung des richtigen Know-hows sowie die Bereitstellung von Geräten und Ressourcen sind entscheidend für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Menschen. Wir verbessern nicht nur die landwirtschaftliche Produktivität, sondern setzen auch die wichtigen Bewässerungssysteme instand und sichern die Existenzgrundlage Tausender Familien. Durch die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort und unseren Partnern in der Afghanischen Rothalbmondgesellschaft stärken wir die Menschen in Afghanistan, widerstandsfähiger zu werden, die landwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken für eine Zukunft anzuwenden, in der Nahrungsmittelunsicherheit kein Thema mehr sein sollte.“