Internationaler bewaffneter Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: 23 000 Personen als vermisst gemeldet

Internationaler bewaffneter Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: 23 000 Personen als vermisst gemeldet

Genf (IKRK) – Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist bemüht, das Schicksal von 23 000 Personen zu klären, deren Familien nicht wissen, was mit ihren Angehörigen geschehen ist – entweder, weil sie gefangengenommen oder getötet wurden, oder weil sie geflohen sind und der Kontakt dadurch verloren ging. Der unbeschreibliche Verlust und das Leiden dieser Familien wird durch den Schmerz der Trennung noch verstärkt. Zwei Jahre nach der Eskalation des bewaffneten Konflikts nehmen die humanitären Bedürfnisse weiter zu, unter anderem bei den Millionen Vertriebenen, die sich innerhalb der beiden Länder oder im Ausland aufhalten.
News release 19. Februar 2024 Ukraine Russland

„Nicht zu wissen, was mit einem Angehörigen geschehen ist, ist qualvoll. Das ist die tragische Realität für zehntausende Familien, die in ständiger Sorge leben müssen. Die Familien haben das Recht, zu erfahren, was mit ihren Verwandten geschehen ist, und wo möglich sollten sie mit ihnen kommunizieren können“, erklärt Dusan Vujasanin, Leiter des Büros des Zentralen Suchdienstes des IKRK für den internationalen bewaffneten Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine.

Bis Ende Januar 2024 hatte das IKRK in Zusammenarbeit mit den nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften in der Ukraine, in Russland und anderswo 8000 Familien geholfen, Informationen über das Schicksal oder den Aufenthaltsort ihrer vermissten Angehörigen zu erhalten. In den letzten zwei Jahren erhielt das IKRK mehr als 115 000 Anrufe, Online-Anfragen, Briefe und persönliche Besuche von Familien aus Russland und der Ukraine, die nach vermissten Angehörigen suchten.

“Wir haben tausenden getrennten Angehörigen geholfen, miteinander zu kommunizieren oder Informationen über das Schicksal einer verwandten Person zu erhalten, aber es gibt unzählige, die noch immer auf Nachricht warten. Wir arbeiten jeden Tag daran, weiteren Familien zu helfen“, berichtet Dusan Vujasanin.

Das sagen uns die Familien:

  • „Wenn Sie meinen Ehemann das nächste Mal sehen, sagen Sie ihm bitte, dass gestern unser Kind geboren wurde. Es geht uns beiden gut und wir warten auf ihn.“
  • „Ich bin so glücklich, zu erfahren, dass mein Sohn lebt. Ich hatte seit rund zwei Monaten nichts mehr von ihm gehört. In dieser Zeit fühlte ich mich wie tot.“
  • „Ich habe keine Tränen mehr, nur noch Schmerz, mein Herz zerschellt in Stücke.“

Das Büro des Suchdienstes wurde im März 2022 eingerichtet. Es arbeitet mit den Konfliktparteien, um zu verhindern, dass Menschen verschwinden, und es unterstützt Familien bei der Suche nach ihren Angehörigen auf beiden Seiten der Front.

Im Einklang mit den Genfer Abkommen haben sowohl die russischen als auch die ukrainischen Behörden ein nationales Auskunftsbüro eingerichtet, welches Informationen über geschützte Personen (z. B. Kriegsgefangene oder internierte Zivilpersonen), die sich in ihrer Gewalt befinden, sammelt, zusammenführt und übermittelt.

Das Büro des Zentralen Suchdienstes des IKRK agiert als neutraler Vermittler zwischen Russland und der Ukraine und sammelt diese Informationen, zentralisiert, schützt und übermittelt sie von einer Seite an die andere. Die Genfer Abkommen sehen vor, dass die Parteien das IKRK über alle geschützten Personen informieren müssen, die sich in ihrer Gewalt befinden. Dadurch kann die Gefahr, dass diese Personen verschwinden, stark reduziert werden.

„Wenn die Suchanfrage einer Familie mit einer Information abgeglichen werden kann, die wir von den nationalen Auskunftsbüros erhalten haben, bedeutet dies das Ende vieler Monate der Ungewissheit, in denen die Familien nicht wussten, was mit ihren Angehörigen geschehen war“, erklärt Dusan Vujasanin.

Das IKRK arbeitet eng mit seinen Partnern aus der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in rund 50 Ländern zusammen, um den Familien von Vermissten oder Kriegsgefangenen Antworten zu vermitteln. Zudem unterstützt es die Parteien des internationalen bewaffneten Konflikts bei der Erfüllung ihrer rechtlichen Pflichten im Hinblick auf die Bergung, die Identifizierung, den Transfer und die Überführung sterblicher Überreste, wenn nötig auch in seiner Rolle als neutraler Vermittler.

Das humanitäre Völkerrecht schützt das Recht der Familien, Auskunft über das Schicksal und den Aufenthaltsort ihrer vermissten Angehörigen zu erhalten. Jede Partei in einem internationalen bewaffneten Konflikt ist dazu verpflichtet, zu verhindern, dass Menschen verschwinden, und sie muss dafür sorgen, dass Familien über das Schicksal ihrer Angehörigen aufgeklärt werden. Personen, die sich in der Gewalt einer Konfliktpartei befinden, müssen mit Menschlichkeit behandelt werden; und mit Verstorbenen ist würdevoll umzugehen.

 

Über das IKRK

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist eine neutrale, unparteiische und unabhängige Organisation mit einem ausschliesslich humanitären Auftrag, der in den Genfer Abkommen von 1949 verankert ist. Es hilft Menschen auf der ganzen Welt, die von bewaffneten Konflikten und anderen Formen von Gewalt betroffen sind, und es bemüht sich nach Kräften, ihr Leben und ihre Würde zu schützen und ihre Leiden zu lindern. Dies geschieht häufig an der Seite seiner Rotkreuz- und Rothalbmondpartner.

For more information, please contact:

Achille Després, IKRK Kiew,
tel: +380 50 324 31 80,
adespres@icrc.org

Claire Aude Kaplun, Büro des Zentralen Suchdienstes, IKRK Genf,
tel: + 41 79 522 72 28, ckaplun@icrc.org

Galina Balzamova, IKRK Moskau,
tel: +7 90 35 45 35 34, gbalzamova@icrc.org