Jemen: Millionen bereiten sich auf den Ramadan vor – trotz Überschwemmungen, Konflikten und Pandemie

23. April 2020
Jemen: Millionen bereiten sich auf den Ramadan vor – trotz Überschwemmungen, Konflikten und Pandemie
Binnenvertriebenenlager in Marib für Familien, die vor den zunehmenden Feindseligkeiten im nordjemenitischen Gouvernement Al Dschauf geflohen sind. Foto: Abdullah Algaradi/IKRK

IKRK (Sanaa) - In diesem Jahr werden die Menschen im Jemen inmitten anhaltender Konflikte, saisonaler Krankheiten, Überschwemmungen und steigender Preise den heiligen Monat des Islam begehen – und das in einem Land, in dem zwei Drittel der Bevölkerung aufgrund der wirtschaftlichen Lage keinen Zugang zu ausreichender Nahrung haben oder sich diese nicht leisten können.

Die Menschen sind sich auch der Gefahr einer Coronavirus-Pandemie bewusst. Bislang gibt es im Jemen bei einer Bevölkerung von fast 29 Millionen einen einzigen bestätigten Fall. Das Gesundheitswesen ist marode und überfordert: Die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen ist nicht funktionsfähig, und allein in dieser Woche wurden in einem vom IKRK unterstützten Spital in der Hauptstadt Sanaa innerhalb von 24 Stunden 500 Cholerafälle gemeldet.

„Die Jemeniten machen Tag für Tag so viel Schweres durch. Sie sind verzweifelt angesichts der anhaltenden Kämpfe in Teilen des Landes, der saisonalen Infektionskrankheiten, die jedes Jahr Tausende von Menschenleben fordern, und der hohen Inflation, die Lebensmittel, Medikamente und andere lebensnotwendige Güter nahezu unerschwinglich macht. Covid-19 ist eine zusätzliche Sorge für Menschen, die schon jetzt so anfällig sind", sagte Franz Rauchenstein, Leiter der Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Sanaa.

Der Beginn der Regenzeit hat bereits Tausende ins Elend gestürzt. In Sanaa, Ibb, al-Hadschara und der südlichen Hafenstadt Aden gab es zwei Wochen lang sintflutartige Regenfälle und tödliche Überschwemmungen, die Tausende von Menschen in Mitleidenschaft zogen und Häuser und Geschäfte teilweise zerstörten.

Freiwillige Helfer des Jemenitischen Roten Halbmonds (YRCS) kamen ihnen zu Hilfe: Sie retteten Menschen aus den Fluten, evakuierten Familien und verteilten in Sanaa Nothilfegüter, darunter Decken. Mit Unterstützung des IKRK und anderer Organisationen der Bewegung ermittelt das YRCS derzeit den Bedarf in Aden, um den Menschen dort zu helfen.

Im Gouvernement Marib zerstörten Überschwemmungen die Zelte Tausender in Vertriebenenlagern. Viele derjenigen, die im vergangenen Monat Hilfe vom IKRK erhalten hatten, sind erneut auf Nothilfe angewiesen. Von den Überschwemmungen waren auch zahlreiche andere Menschen in der Stadt Marib betroffen.

Die Gefahr einer COVID-19-Pandemie belastet auch die Ramadan-Feierlichkeiten, bei denen traditionell Familien und Freunde zusammenkommen, um zu beten, das Fasten zu brechen und sich gegenseitig zu besuchen.

„Die jemenitischen Spitäler stehen auch ohne die Bedrohung durch das Coronavirus unter erheblichem Druck. Sie behandeln regelmäßig Patienten mit Kriegsverletzungen, und der Beginn des Ramadan fällt in diesem Jahr mit dem Beginn der Regenzeit und der damit verbundenen saisonalen Zunahme von Infektionskrankheiten wie Cholera, Diphtherie und Denguefieber zusammen. Angesichts der drohenden Pandemie ist es wichtiger denn je, die Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen und Haftanstalten fortzusetzen, um Massnahmen zu treffen, die die Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Gesundheitsdienste im Jemen sicherstellen", sagte Avril Patterson, IKRK-Gesundheitskoordinatorin für den Jemen.

Das IKRK unterstützt die Behörden mit Präventionsmassnahmen in Haftanstalten sowie Wasser- und Sanitärdiensten, um die Hygienestandards zu verbessern und den Zugang zu sauberem Wasser zu erleichtern; zudem unterstützt es Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, medizinische Grundversorgung und Dialysezentren mit Spenden von Desinfektionsmitteln und Schulungen.

Zusammen mit seinen Rotkreuz- und Rothalbmondpartnern unterstützt das IKRK den Jemenitischen Roten Halbmond bei der Verteilung von Hygienematerial, Haushaltsartikeln und Küchengeräten an Quarantäneeinrichtungen, die von den lokalen Behörden eingerichtet wurden. Gleichzeitig werden Informationskampagnen durchgeführt, um die Bevölkerung unter anderem mit Rundfunkbeiträgen zur COVID-Prävention und praktischen Tipps zu sensibilisieren.

Hinweis für Redaktionen:

Das IKRK leistete im vergangenen Jahr Nahrungsmittelhilfe für mehr als 650 000 Menschen im Jemen und versorgte über Wasser- und Sanitärprogramme mehr als fünf Millionen mit sauberem Wasser.

Das IKRK behandelte im vergangenen Jahr mehr als 25 000 Kriegsverletzte und stellte mehr als 89 000 Menschen mit Behinderungen medizinische Dienstleistungen zur Verfügung. Es liefert Spitalbedarf und in einigen Fällen Medikamente an 55 Spitäler, 14 Dialysezentren und 26 Kliniken der medizinischen Grundversorgung im ganzen Land, darunter in Sanaa, Aden und Badschil.

Der COVID-19-Einsatz des IKRK im Jemen umfasst auch Lehrgänge sowie Informationen und Materialien zur Prävention, die an unterstützte Gesundheitseinrichtungen und Haftanstalten sowie an Bevölkerungsgruppen verteilt wurden, die vom Konflikt betroffen sind.

 

Weitere Auskünfte:

Yara Khaweja, IKRK-Sprecherin Jemen, +961 70 661 374, ykhaweja@icrc.org
Sarah Alzawqari, IKRK-Sprecherin Naher Osten, Beirut, +961 3138 353, salzawqari@icrc.org
Ruth Hetherington, IKRK-Sprecherin Naher Osten, Genf, +41 79 447 3726, rhetherington@icrc.org