Medienmitteilung

Staaten fordern in neuem Bericht eine Schutzauslegung des humanitären Völkerrechts

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Genf (IKRK) – Die zunehmende Anzahl ziviler Opfer bei Kampfhandlungen in dicht besiedelten Gebieten, die Zunahme von Angriffen auf medizinische Einrichtungen und die rasante Entwicklung von Cyberwaffen erfordern laut den Regierungen, die die Globale Initiative zum humanitären Völkerrecht lanciert haben, dringend ein erneutes Bekenntnis zu den Kriegsregeln, welche das wichtigste Bollwerk gegen Barbarei in bewaffneten Konflikten sind.

Der erste Zwischenbericht zu dieser Initiative enthält konkrete Vorschläge der Staaten zur Stärkung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts (HVR), darunter eine aktualisierte militärische Ausbildung, strengere nationale Mechanismen zur Rechenschaftspflicht, die Ermittlung von Risikofaktoren, welche die Wahrscheinlichkeit von Verstössen erhöhen, sowie deren Bekämpfung, bevor sie auftreten oder sich abzeichnen. Die Staaten unterstrichen zudem die Notwendigkeit, die Regeln des HVR in Friedensabkommen aufzunehmen, und signalisierten ihre Bereitschaft, auf die wachsende Besorgnis angesichts potenziell unzulässiger Angriffe auf medizinische Einrichtungen zu reagieren, indem sie praktische Möglichkeiten zur Verstärkung von Vorsichtsmassnahmen und zur Überprüfung von Vorwürfen, Spitäler würden für militärische Zwecke genutzt, sondieren.

«Die Genfer Abkommen wurden geschaffen, um Zivilpersonen, Kriegsgefangene, Häftlinge sowie Personen zu schützen, die nicht mehr an Kampfhandlungen beteiligt sind. Die Schutzwirkung dieser Abkommen muss gewahrt bleiben. Das Leben von Millionen Menschen und der Kern unserer gemeinsamen Menschlichkeit hängen davon ab, dass die Staaten das HVR konsequent einhalten», sagte IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric. «Wenn die Staaten jetzt nicht handeln, besteht die Gefahr, dass die Brutalität, die wir in den heutigen Kriegen erleben, zur Norm für künftige Konflikte wird. Es liegt in der Macht der Staaten, die Menschlichkeit im Krieg zu bewahren, doch sie müssen die politische Entscheidung treffen, sich jeglicher Aushöhlung der Kriegsregeln zu widersetzen.»

Der Bericht folgt auf einen Aufruf der Staats- und Regierungschefs Brasiliens, Chinas, Frankreichs, Jordaniens, Kasachstans und Südafrikas an alle Staaten, Massnahmen gegen weit verbreitete Verstösse gegen das HVR zu ergreifen. In einer Erklärung am Rande der UN-Generalversammlung im September forderten sie die Regierungen auf, dem HVR in ihren Ländern Priorität einzuräumen, indem sie genügend Ressourcen für die Einhaltung der HVR-Regeln bereitstellen und das HVR durch Gesetzgebung, militärische und sicherheitsbezogene Ausbildung innerstaatlich umsetzen. Sie forderten zudem die Stärkung der nationalen HVR-Ausschüsse und betonten die Notwendigkeit einer Beteiligung an der Globalen HVR-Initiative durch förmlichen Beitritt, aktive Beiträge zu Konsultationen und die Förderung einer breiten Mitwirkung.

«Wir waren uns zutiefst unserer Verantwortung und der Dringlichkeit bewusst, entschlossen zu handeln, um die weltweit zu beobachtende Flut von Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht einzudämmen“, erklärten die Gründungsstaaten. 

Im Zwischenbericht heisst es, dass im vergangenen Jahr mehr als 130 Staaten an globalen und regionalen Konsultationen teilgenommen haben, und dass sich aus diesen Debatten eine Auslegung des humanitären Völkerrechts entwickelte, in deren Mittelpunkt der Schutz von Menschen und zivilen Objekten steht. Die Ergebnisse zeugen von ausgeprägtem Engagement: 90 Staaten haben sich der Initiative offiziell angeschlossen, und 27 Staaten leiten gemeinsam sieben thematische Arbeitsbereiche, die sich mit aktuellen Herausforderungen für das HVR befassen.

Das IKRK ruft dazu auf, dass sich noch mehr Staaten hinter den Schutzgedanken des humanitären Völkerrechts stellen und diesen verteidigen. Wenn alle an bewaffneten Konflikten beteiligten Parteien und diejenigen, die Einfluss auf sie ausüben, nicht erneut ihre Entschlossenheit bekunden, die Regeln des Krieges zu achten, dann besteht die Gefahr, dass Gräueltaten und Feindseligkeiten ausser Kontrolle geraten und irreversiblen menschlichen, politischen und wirtschaftlichen Schaden anrichten. Die Globale HVR-Initiative findet 2026 ihren Höhepunkt in einem hochrangigen Treffen zur Wahrung der Menschlichkeit im Krieg. 

Ausführlichere Informationen sowie den Zwischenbericht finden Sie hier:

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Pressebüro, IKRK Genf, press@icrc.org