Im Gedenken an die drei im Jemen getöteten Kollegen

Im Gedenken an die drei im Jemen getöteten Kollegen

Wir möchten einen Augenblick innehalten, um uns an den Einfluss unserer drei Kollegen auf alle ihre Freunde zu erinnern.
Article 08. Februar 2021 Jemen

Am 30. Dezember 2020 musste die gesamte IKRK-Familie nach mehreren Explosionen am Flughafen von Aden, Jemen, erschüttert den Tod dreier Kollegen des IKRK zur Kenntnis nehmen. Hamid Al-Qadami, Ahmed Wazir und Saidi Kayiranga haben neben ihrer guten Laune, ihrer Einsatzbereitschaft und ihrem Interesse, anderen zu helfen, immer einen bleibenden Eindruck bei allen hinterlassen, die mit ihnen zusammengearbeitet haben.

Hamid Al-Qadami

Hamid Al-Qadami war in der Subdelegation in Saʿda bekannt für seine liebenswürdige Art. Kurz vor seinem Abflug nach Indien witzelte er noch mit seinen IKRK-Kollegen, als er sie auf einer WhatsApp-Gruppe fragte, wo er denn nun sein Auto parkieren solle. Jemand schlug mit einem Augenzwinkern vor, es an eine Werkstatt für Altmetall zu verkaufen. Jemand anderes meinte, er solle es doch auf einem Hotelparkplatz abstellen. Und noch jemand sagte, es würde noch eine gute Schubkarre abgeben.

Hamids Antwort folgte prompt: Ich hätte es besser wissen sollen, als in dieser Gruppe zu fragen.

Hamid stand gerade vor einem grossen Ziel in seinem Leben: Er sollte seinen Doktortitel von einer Universität in Indien erhalten. Mit diesem Abschluss erhoffte er sich, den Menschen im Jemen noch besser zur Seite stehen zu können.

Viele in der Delegation kannten Hamid als den „Professor", der viele Jahre dafür geopfert hatte, diesen Abschluss zu erreichen. Wenn die finanziellen Mittel für die Ausbildung knapp wurden, reiste er nach Jordanien, um Geld zu verdienen und anschliessend sein Studium fortzusetzen. Seinen Freunden und Kollegen sagte er stets, dass jeder, der einen Traum habe, sich diesen auch erfüllen könne.
„Ich blickte in seine Augen, die voller Optimismus waren, als er mir seine Geschichte erzählte. Ich habe anderen davon erzählt, dass er so viele schwierige Situationen gemeistert hat, um diesen Abschluss zu erreichen", sagte sein IKRK-Kollege Yahya Amer.

Ausserhalb der Arbeit erzählte der 41-jährige Hamid gerne Geschichten über die wunderbaren Landschaften und das vielfältige Angebot an Speisen in Indien. Und er berichtete davon, wie viel Arbeit es sei, sein Studium abzuschliessen.

Als IKRK-Mitarbeiter im Feld im Bereich Gesundheit versorgte er bei seinen Einsätzen Migranten und Inhaftierte mit den notwendigen Gütern. Im letzten Jahr unterstützte er die im Rahmen von Covid-19 errichteten Quarantänezentren.

„Manchmal sassen wir nach einem langen Tag zusammen und redeten. Er sprach sehr positiv über sein Studium und war so stolz darauf, sein PhD-Studium in Indien zu absolvieren", so Amer.
An Wochenenden nahm Hamid eine dreistündige Fahrt auf sich, um seine Familie zu besuchen. Was viele nicht wussten – er hatte sechs Söhne. „Er wirkte einfach zu jung, um eine solch grosse Familie zu haben", sagte sein IKRK-Kollege Basheer Jubran.

Der Tod von Hamid hinterlässt bei vielen eine grosse Leere, vor allem wenn man bedenkt, dass er inmitten aller Gefahren im Jemen arbeitete, nur um dann auf dem Weg ins Ausland zu sterben.
„Wir alle vermissen ihn und sind zutiefst getroffen", so Jubran. „Uns fehlen Worte zu erklären, was ihm zugestossen ist, und in der Subdelegation nutzen wir jede Gelegenheit, die Erinnerung an ihn wachzuhalten."

Ahmed Wazir

Immer ein Lächeln. So erinnern sich die Menschen an Ahmed Wazir. Beim IKRK trifft man viele Menschen. Aber Ahmed gehörte zu denen, die sicher die meisten getroffen haben: Als Teil des Air-Ops-Teams begrüsste Ahmed jeden, der mit dem Flugzeug in Aden landete, und verabschiedete alle, die wieder abflogen.

„Am Flughafen begrüsste er alle mit seinem wunderbaren Lächeln. Das sagen alle Kollegen der mobilen und jemenitischen Teams einstimmig", so sein IKRK-Kollege und Freund Rami Ahmed. „Das war der besondere Charme von Ahmed Wazir. Er hat immer gelächelt. Das ist wirklich eine gute Sache. Die Menschen sagen mir immer wieder, wie er lächelte."

Am Flughafen kümmerte Ahmed Wazir sich um die Logistik zur Unterstützung der Einfuhr von Gütern und der Einreise des Personals.

Ein anderer IKRK-Kollege, Rami Hussein, besuchte dasselbe College wie Ahmed Wazir, als dieser Computerwissenschaften studierte. Ahmed absolvierte anschliessend ein Studium der Luftfahrttechnik, um letztlich als Flugzeugingenieur zu arbeiten.

„Er wollte immer Pilot werden oder einfach fliegen. Seine Onkel waren seine Vorbilder. Sie arbeiteten als Crewmitglieder bei Yemen Airways", erklärte Rami Hussein. „Zwei oder drei seiner Angehörigen waren in derselben Branche tätig. Das hat er wohl von ihnen geerbt. Sie waren wirklich sein Vorbild."

„Als die Kollegen fragten, wer bei dem Angriff im Jemen ums Leben gekommen sei, erinnerten sich alle sofort an Ahmeds Lächeln", so Rami Hussein weiter. „Er hat wirklich alle Menschen mit einem grossen Lächeln begrüsst und war immer froh, neue Leute kennenzulernen. Er war ein sehr, sehr freundlicher Mensch."

Rami Ahmed lernte Ahmed Wazir 2014 kennen, als dieser am Flughafen von Aden als Flugzeugingenieur für eine jemenitische Fluggesellschaft arbeitete. Heute steht am Flughafen an der Stelle, an der Ahmed Wazir getötet wurde, ein Erinnerungsfoto. Der 34-Jährige hinterlässt zwei kleine Söhne.

„Ich muss daran denken, dass er an dem Ort gestorben ist, den er so sehr liebte", so Rami Ahmed. „Das hat mich sehr berührt. Ich kenne ihn. Ich weiss um seine Liebe und Leidenschaft für den Flughafen. Er starb an dem Ort, den er liebte."

Saidi Kayiranga

Saidi Kayiranga stammt aus Ruanda, aber sein Vorname „Saidi" bedeutet auf Arabisch „glücklich". Und Saidi schien immer glücklich, wenn er anderen half.

Er freute sich darauf, endlich im Feld zu arbeiten, nachdem er die zwei Wochen seit seiner Ankunft in Quarantäne verbringen musste. Er war so ungeduldig, dass er darum bat, länger bleiben zu dürfen, um mehr zu Zeit zu haben, seine Beurteilungen in zwei Spitälern durchzuführen.

„Er hatte eine Leidenschaft für seine Arbeit und war immer bemüht, seine Beurteilungen mit anderen zu teilen. Er zeigte Probleme in zwei Abteilungen auf und bot gleichzeitig pragmatische Lösungsvorschläge an", sagte Avril Patterson, Gesundheitskoordinatorin im Jemen.

„Er wollte in den Jemen zurückkommen, weil ihm bewusst war, dass mit Schulungen bestimmte Probleme gelöst werden können", so Avril weiter. „Saidi kam zu uns als Röntgentechniker, aber er war ganz klar auch ein humanitärer Helfer. Er machte sich nicht nur Sorgen um die Geräte und das Personal, sondern auch um die Patienten. Er war vielleicht nicht lange hier, aber seine Arbeit wird auf jeden Fall fortgeführt."

Saidi sprach oft über seine liebenswerte und gutherzige Familie. „Er lobte seine Frau in höchsten Tönen, denn sie hatte grossen Einfluss auf sein Leben. Sie unterstützte ihn bei all seinen Plänen", sagte Raphael Kerio, Orthopädietechniker im Jemen.

„Saidi war am Boden zerstört, dass er aufgrund der Ausgangsbeschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 seine Frau nicht ins Spital begleiten durfte, als sie vor kurzem ihre zweite Tochter auf die Welt brachte. Aber als Astra-Allen schliesslich da war, weinte er vor Freude", so Faith Mbijiwe, Administrator im Bajil Rural Hospital im Jemen.

„Wir teilten ihre ersten Augenblicke auf dieser Welt in einer Videokonferenz mit ihrer liebevollen Mutter aus dem Spital. Er liebte seine Frau und seine Tochter so sehr, dass kein Tag verging, ohne dass er über die beiden sprach und sich darauf freute, sie schon bald zu besuchen", erzählte Faith weiter.

Jonathan Delchambre, IKRK-Delegierter und Biomedizintechniker, erinnert sich daran, wie Saidi „sich umfassend dafür einsetzte, die radiologische Abteilung dieses Spitals zu verbessern und das Personal zu schulen. Es war nicht immer leicht, in diesem Spital zu arbeiten, aber Saidi schaffte es immer, Schwierigkeiten auf sehr diplomatische Art zu meistern."

Younis Elshalwi befand sich in der Delegation in Sanaa und verabschiedete sich von den Mitarbeitenden, die auf dem Weg zum Flughafen waren. Er half Saidi beim Packen und beide machten bis zum Ende noch Witze.

„Ich sagte zu ihm: ,Saidi, bis du Saidi, uns zu verlassen?'" erinnert sich Younis. „Saidi bedeutet glücklich auf Arabisch. Er war so glücklich, dass das Problem mit dem Röntgengerät in Bajil auf seine Empfehlungen hin so schnell gelöst wurde. Es hatte das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Als ich die Tür des IKRK-Busses schloss, machte Saidi mit beiden Händen noch eine Geste des Dankes und lächelte mich schüchtern und verstohlen an."