Schutz, Würde und Respekt für Verstorbene und ihre Angehörigen in der COVID-19-Krise
Wenn Menschen im Krieg, bei Katastrophen oder auf einer Migrationsroute sterben, müssen die Leichen mit Respekt und Würde behandelt werden; sterbliche Überreste unbekannter Personen müssen gesucht, geborgen und identifiziert werden. So wird verhindert, dass Menschen infolge bewaffneter Konflikte und anderer Situationen bewaffneter Gewalt auf tragische Weise verschollen bleiben. Diese Aufgaben gehören mittlerweile zur humanitären Arbeit und die forensische Wissenschaft bietet diesbezüglich zahlreiche Instrumente und die entsprechende Expertise. Das Forensik-Team des IKRK ist weltweit im Einsatz und hilft mit, eine würdevolle Handhabung der Verstorbenen zu gewährleisten und das Recht der Hinterbliebenen auf Informationen darüber, was mit ihren Liebsten geschah, zu wahren.
In der aktuellen COVID-19-Pandemie passt das IKRK seine bestehende Tätigkeit und die laufenden Programme an. Es ist unser erklärtes Ziel, zur Deckung des weltweit zunehmenden Unterstützungsbedarfs im Umgang mit Verstorbenen und ihren Familien sowie bei der Arbeit des Fachpersonals im Bereich der Leichenhandhabung beizutragen.
Empfehlungen für Behörden und forensische Einrichtungen
Das IKRK hat eine Reihe von Empfehlungen für Behörden und forensische Einrichtungen entwickelt, um während der COVID-19-Krise eine würdevolle Handhabung der Toten zu gewährleisten. Diese Empfehlungen umfassen unter anderem folgende Punkte:
- Die Gesundheit und Sicherheit aller, die direkt mit Leichen in Kontakt sind, hat oberste Priorität. All diese Personen müssen mit geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ausgestattet werden
- Alle getroffenen Massnahmen – zum Beispiel Richtlinien, Vorschriften und praktische Anweisungen – müssen respektvoll gegenüber den Verstorbenen und ihren Angehörigen sowie den betroffenen Gemeinschaften sein.
- Ein Vorsorgeplan muss sicherstellen, dass die Kapazitäten für die Handhabung eines plötzlichen Anstiegs von Todesfällen zusätzlich zur normalen Belastung vorhanden sind. Dazu gehört auch die Wahrung des Wohlbefindens der Mitarbeitenden und der betroffenen Gemeinschaften. Die Vorsorgeplanung sollte folgende Aspekte umfassen: 1.) die Möglichkeit für die Familien, sich von im Sterben liegenden Angehörigen zu verabschieden, 2.) eine Struktur für den Kontakt zu den Familien, um diese auf respektvolle Art und Weise über den Tod eines Angehörigen zu informieren sowie Kontaktstellen, bei denen die Familien Unterstützung finden können, 3.) die Bereitstellung der Dokumente im Zusammenhang mit dem Todesfall, wie sie für Vermögensfragen und andere finanzielle Verpflichtungen erforderlich sind, und 4.) eine würdevolle Behandlung der sterblichen Überreste und eine (provisorische) Bestattung in einer der Kultur angepassten Weise und gemäss den Wünschen des oder der Verstorbenen – falls diese bekannt sind – und der Familie.
- Eine rasche und zuverlässige Identifizierung, Dokumentierung und Nachverfolgbarkeit der Verstorbenen sollte sichergestellt werden.
- Alle Leichen, die in vorübergehenden Einrichtungen aufbewahrt oder die bestattet werden, müssen erfasst und zurückverfolgt werden können, auch dann, wenn sie nicht identifiziert wurden oder wenn niemand nach ihnen gefragt hat.
- Die betroffenen Behörden sollten sicherstellen, dass sie über die erforderlichen Gebäude für die Aufbewahrung der Leichen verfügen, dass genügend Bestattungsfläche vorhanden ist und dass Erd- oder Feuerbestattungen nach den gewünschten kulturellen und religiösen Bräuchen durchgeführt werden können.
- Gespräche mit wichtigen Akteuren wie religiösen Verantwortlichen und Führungspersönlichkeiten aus den Gemeinschaften sind entscheidend, um dafür zu sorgen, dass aus gesundheitlichen und sicherheitstechnischen Gründen erforderliche Änderungen der üblichen Gewohnheiten im Umgang mit Verstorbenen verstanden und angewandt werden.
In Hafteinrichtungen, Flüchtlingslagern und grossen städtischen Slums sollten besondere Präventionsmassnahmen umgesetzt werden. Dazu gehört das Ausräumen von Fehlinformationen und die Vorsorge für den Umgang mit einer höheren Anzahl an Verstorbenen als die aktuellen Kapazitäten zu bewältigen vermögen.
Das IKRK ermutigt Behörden und forensische Einrichtungen, diese Empfehlungen und Ressourcen bei ihrer Arbeit als Bestandteil der Planung und Reaktion auf COVID-19 zu berücksichtigen. Wie sich gezeigt hat, waren zahlreiche Bestattungsinstitute und Leichenhäuser durch die vielen COVID-19-Opfer binnen kürzester Zeit überfordert. Das IKRK ist bestrebt, Behörden und forensische Einrichtungen zu unterstützen, damit eine Überlastung der lokalen Kapazitäten verhindert und die Rechte der Hinterbliebenen in dieser schwierigen Zeit gewahrt werden können.